Die Symbolik der Kerosinsteuer

Umweltexperten kritisieren, dass die Kerosinsteuer allein zur Armutsbekämpfung eingesetzt werden soll. Dabei sei sie entscheidend für den Klimaschutz

BERLIN taz ■ Wegen einigen Euros mehr fürs Fliegen wird niemand sein Urlaubsziel von Mallorca in den Bayerischen Wald verlegen. Von einer Revolution des Klimaschutzes kann also keine Rede sein, wenn sich die EU zu einer Besteuerung von Flugzeugbenzin durchringen sollte. Diese Pläne verlauteten beim G-7-Gipfel vergangenes Wochenende. Trotz gedämpfter Euphorie halten sich die Umweltschützer mit Kritik zurück, zu lange hatten sie für eine solche Steuer gekämpft – allerdings unter anderen Vorzeichen: Sie wollten damit eher das Klima schützen als – wie nun geplant – die Armut bekämpfen.

Erste kritische Stimmen erhebt jetzt der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung für globale Umweltfragen (WBGU). „Das reicht vorne und hinten nicht“, sagte die Vorsitzende des WBGU, Renate Schubert, der taz. Da nur mit einigen Euros Teuerung pro Flugticket zu rechnen sei, „ist der Lenkungseffekt gering“. Überhaupt findet die Wissenschaftlerin den umweltpolitischen Aspekt einer Steuer auf Flugbenzin, die Senkung der klimaschädlichen Emissionen des Flugverkehrs, in der Debatte vernachlässigt. „Das wird momentan nur als Einnahmequelle diskutiert.“ Ein Gutachten des WGBU empfahl der Bundesregierung die Zweckbindung der Abgaben des Flugverkehrs für Klimaschutzmaßnahmen und die Anpassung an den Klimawandel.

Doch nun sind die Einnahmen dem Vorschlag des britischen Finanzminister Gordon Brown zufolge vorgesehen, um die Entwicklungshilfe so weit aufstocken zu können, dass die UN-Ziele zur Armutsbekämpfung erreicht werden. Würden diese Mittel an Maßnahmen zur Bewältigung des globalen Klimawandels in den Entwicklungsländern geknüpft, wären wohl auch die Kritiker zufrieden. „Die Entwicklungsländer leiden schließlich am meisten unter dem Klimawandel“, sagte Dietrich Brockhagen von der Entwicklungsorganisation Germanwatch der taz. Zerreden will man den Vorstoß allerdings auch beim WBGU nicht. Selbst wenn man dem Ziel, die Emissionen des Flugverkehrs deutlich zu reduzieren, nur marginal näher komme, „werde ein Tabu damit salonfähig“, so die WBGU-Vorsitzende Schubert.

Im Bundesumweltministerium sieht man in der Kerosinsteuer einen Schritt zu mehr ökologischer Gerechtigkeit bei der Besteuerung von konkurrierenden Verkehrsmitteln, erklärte eine Sprecherin zur taz. Zudem verweist das Ministerium auf eine entsprechende Koalitionsvereinbarung, will sich jedoch zur Mittelverwendung nicht äußern.

Direkte Effekte durch die Kerosinsteuer sieht bisher nur die Luftfahrtindustrie. 50.000 Arbeitsplätze seien bedroht, behauptet Lufthansa-Sprecher Stefan Schaffrath. Trotz der nur marginalen Teuerung befürchtet er „entscheidende“ Wettbewerbsnachteile. „Schon 2 Euro sind entscheidend im internationalen Wettbewerb.“

Wegweisend könnte die Kerosinsteuer in Bezug auf die Klimaziele nach Auslaufen des ersten Kioto-Protokolls 2012 sein. Darin soll nach Auffassung von Deutschland und Großbritannien erstmals auch der Flugverkehr berücksichtigt werden. Erste Anreize für geringere Emissionen durch den internationalen Flugverkehr seien deshalb auch im Hinblick auf Kioto nach 2012 wichtig, findet Renate Schubert vom WGBU. Über die Stellschraube Kerosinsteuer könnten die Emissionen dann gesteuert werden. Und die Luftfahrtindustrie könnte anfangen, sich darauf einzustellen. Schubert: „Nicht nur weniger Fliegen, sondern auch neue Technologien können klimaschädliche Emissionen mindern.“ JOCHEN SETZER