Pro-Kopf-Pauschale für Kohlendioxid

Die Schweiz will jedem Eidgenossen für dessen Energieverbrauch ans Portemonaie. Allerdings geht es dabei nicht um das Stopfen von Haushaltslöchern, sondern ums Klimaziel. Die Einnahmen werden komplett wieder an die Bürger ausgeschüttet

AUS FREIBURG BERNWARD JANZING

Vielleicht bringt das Vorbild der Schweiz ja auch die deutsche Regierung wieder in Schwung: Die Eidgenossen planen eine Kohlendioxid-Abgabe, um ihre Klimaschutzziele zu erreichen. Noch im Frühjahr will der Bundesrat – die Schweizer Regierung – die Details entscheiden. Die so genannte Vernehmlassung, ein Verfahrensschritt, bei dem alle Verbände und Institutionen ihre Positionen einbringen können, ging dieser Tage zu Ende.

Zur Entscheidung stehen vier Modelle, bei denen Brenn- und Treibstoffe jeweils unterschiedlich mit einem Aufschlag belastet werden. Die ambitionierteste Variante ist eine spürbare CO2-Abgabe für Brenn- und Treibstoffe. Heizöl würde um etwa 9 Rappen (6 Cent) je Liter teurer, Treibstoffe anfangs 10 Cent, ab 2008 dann 20 Cent. Das Besondere: Die Regierung will nicht unter dem Vorwand Klimaschutz Haushaltslöcher stopfen, sondern allein die nationalen Kioto-Verpflichtungen einhalten. Deshalb wird das eingenommene Geld komplett wieder ausgeschüttet – und zwar pro Kopf.

Jeder Schweizer werde, so rechnet das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (Buwal) vor, künftig aus den Einnahmen pro Jahr durchschnittlich 192 Franken (125 Euro) vergütet bekommen. Durchschnittlich: Denn Gewinner sind jene Bürger, die sparsam mit Energie umgehen, Verlierer die, die Energie verprassen. Der CO2-Zuschlag ist eine reine „Lenkungsabgabe“. Da das Geld als eine Kopfpauschale ausgezahlt wird, ist das Modell zugleich sozialpolitisch attraktiv: Familien profitieren, weil sie Prämien für Kinder bekommen; ärmere Bürger ebenso, etwa weil sie kein Auto haben oder nur kleine Wohnungen heizen. Sie bekommen mehr zurück, als sie bezahlen.

Ähnliche Richtung, aber etwas mehr verwässert: Neben dieser Variante sind drei weitere Modelle im Gespräch. Variante 2 belastet Treibstoffe mit einem geringeren Betrag und setzt zudem auf einen Einkauf von Emissions-Zertifikaten im Ausland. Variante 3 beschränkt sich fast ausschließlich auf eine Abgabe auf Brennstoffe, während Treibstoffe bis auf einen symbolischen „Klimarappen“ komplett außen vor bleiben. Variante 4 basiert alleine auf einem Klimarappen – der aber ist so gering, dass man von einer Rückvergütung der Einnahmen von vorneherein absieht.

Neben den Grünen und den Umweltverbänden haben sich auch zahlreiche andere gesellschaftliche Gruppen für das ambitionierteste aller Modelle ausgesprochen: Gewerkschaften etwa, Verbraucher- und Sozialverbände. Aber auch die Wissenschaft steht der entschlossenen Variante sehr nahe: 116 Wissenschaftler, unter anderem vom Zentrum für Energiepolitik und Ökonomie der namhaften ETH Zürich, sprechen sich für die Variante 1 aus. Ihr Argument: Mit der CO2-Abgabe steht die Glaubwürdigkeit des Klimaschutzes in der Schweiz auf dem Prüfstand.

Die Gegner sind die üblichen Verdächtigen. Straßenlobby und Wirtschaftsverbände, wie der Dachverband Economiesuisse, malen den Niedergang der Wirtschaft an die Wand. Doch wie so oft sprechen auch hier die Verbände nicht für alle ihre Mitglieder. Zum Beispiel propagieren die beiden großen Einzelhandelsketten Migros und Coop die Kohlendioxid-Abgabe offensiv. Besonders die Entscheidung der Migros verdient Respekt, da deren Tochter Migrol selbst mit Benzin und Heizöl handelt. Doch der Konzernleitung war ein entschiedenes Ja zum Klimaschutz wichtiger – schließlich feilt das Unternehmen seit Jahren an seinem ökologischen Profil.

Wie es jetzt weitergeht? Experten urteilen, dass – angesichts des ausgeprägten Willens der Schweizer zum Konsens – die CO2-Abgabe in der maximal diskutierten Höhe kaum Chancen hat. Doch zumindest eine reduzierte Variante werden gute Umsetzungs-Chancen eingeräumt. Derzeit wertet das Buwal die Eingaben aus, die in den vergangenen Wochen in Bern eingingen. Anschließend wird das Amt eine Empfehlung an die Regierung geben, die in den nächsten Wochen für einen der Vorschläge votieren wird. 2006 könnte die Abgabe starten.

Einen Volksentscheid zu diesem Thema wird es übrigens nicht geben. Denn die Schweiz hat sich verpflichtet, ihre Kohlendioxid-Emissionen bis 2010 gegenüber 1990 um 10 Prozent zu senken – diese Zusage steht. Und nachdem der Spritverbrauch seit 1990 um über 8 Prozent stieg, ist offenkundig, dass dieses Ziel nur noch mit einem neuen, wirkungsvollen Instrument erreichbar ist. Daran kann dann selbst im Musterland der Basisdemokratie kein Volkswille mehr rütteln.