Ich will aber nicht lächeln

In „Paradise Now“ (Wettbewerb) erzählt Hany Abu-Assad von palästinensischen Selbstmordattentätern in Tel Aviv

Die schönste Sequenz von „Paradise Now“ ist die, in der eine Videokamera Khaleds Abschiedserklärung aufzeichnen soll. Khaled ist ein junger Mann aus Nablus, Automechaniker von Beruf, dazu bestimmt, sich und möglichst viele israelische Soldaten in Tel Aviv in die Luft zu jagen. Am Abend vor der geplanten Tat posiert er vor den Farben Palästinas, rechts ein Maschinengewehr, links den Text über seine Motive und Ziele. Als er am Ende seiner Ansprache anlangt, mischt sich der Kameramann ein: Der Apparat hat versagt. Man wird die Aufnahme wiederholen müssen.

Wenn Hany Abu-Assad, der Regisseur von „Paradise Now“, ausgerechnet an dieser Stelle seines Filmes einen leichten Anflug von Slapstick zulässt, tut er genau das Richtige. Gerade dort, wo das Sujet die größte Schwere annimmt, vermeidet seine Inszenierung die Schwere souverän. Der Film schlägt vor ihr Haken – ganz so, wie seine Figuren es gewöhnt sind, die vielen Straßensperren zu umgehen. Hinzu kommt ein bemerkenswertes Gespür für die Details: „Paradise Now“ schaut sich den Schweiß unter dem Sprengstoffgürtel an, beobachtet Khaled und Said, den zweiten Attentäter, beim Warten und Rauchen, setzt selbst- und fremdverschuldete Alltagsblockaden in Szene. Einmal etwa sucht Said einen Fotografen auf. „Wenn du nicht lächelst, fotografiere ich dich nicht“, droht der. Saids Gesicht bleibt versteinert. „Ich will aber nicht lächeln.“ So leicht gerät man in eine Situation ohne Ausweg.

Die Verbindungsmänner belehren Khaled und Said: „Wenn du vor dem Tod keine Angst hast, hast du Kontrolle über das Leben.“ An der Unsinnigkeit dieses Satzes lässt Hany Abu-Assad keinen Zweifel; immer wieder konfrontiert er die Ideologie der Drahtzieher mit den schmächtigen Leibern der beiden Hauptfiguren, mit dem Licht des Gaza-Streifens, mit den Olivenhainen und den Hügeln in der Ferne.

Erst in seinem letzten Drittel verliert der Film seine Sicherheit. Dialoge buchstabieren nun aus, was man ohnehin sieht: Der Gaza-Streifen ist ein großes Gefängnis. Das Leben unter der israelischen Besatzung kennt keine Würde. Der Widerstand der Selbstmordattentäter mündet in eine Sackgasse. Hany Abu-Assad vertraut plötzlich einer schematischen Drehbuchanordnung: Eine Figur hat einen Märtyrer zum Vater und ist deswegen moderat, ein anderer ist Sohn eines Kollaborateurs und deswegen radikal. Wenn schon der Film solche Determiniertheit nicht überwindet, wie sollen es die Palästinenser je tun? CRISTINA NORD

„Paradise Now“, 15. 2., 9.30, 23.30 Uhr, Urania; 20 Uhr, International