„schurkenstaaten“
: Schwache USA

Eine Explosion im Iran. Ein schweres Attentat im Libanon mit mutmaßlich syrischem Hintergrund. Erklärter Atombombenbesitz in Nordkorea. Fortdauernde blutige Anschläge im Irak … die USA sehen sich gleichzeitig an allen Ecken und Enden ihres Koordinatensystems der Schurkenstaaten herausgefordert. Im Windschatten des einen Konfliktes gedeiht stets der nächste. Und wenngleich niemand eine Absprache behauptet, so ist wohl anzunehmen, dass etwa die Attentäter von Beirut wohl wussten, dass die USA derzeit handlungsunfähiger sind denn je. Die Igel merken, dass der Hase keine Chance hat, zumal er mit ein schweren Fangeisen am Hinterlauf herumhoppelt.

KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Ist dies also der „imperial overstretch“, die „Überdehnung“, die nach Meinung etlicher Kritiker den Machtwillen der USA mittelfristig in einen Niedergang verwandeln wird? Bushs aggressive Freiheitsrhetorik zu Beginn seiner zweiten Amtszeit signalisiert Stärke – und kaschiert Schwäche. Oder nach Mao Tse-tung: Der Imperialismus „sieht ganz aus wie ein Tiger, aber er ist aus Papier gemacht und hält keinen Wind und keinen Regen aus. Die USA sind nichts als ein Papiertiger.“

Tatsächlich haben die USA in der ersten Amtszeit des Präsidenten George W. Bush den Bogen überspannt. Welch eine Agenda: Gleichzeitig die unter Clinton begonnene Entspannung mit Nordkorea abzubrechen, Afghanistan zu besetzen, Krieg gegen den Irak zu führen, Iran und Syrien zu drohen und auch noch die traditionellen Alliierten und die internationalen Institutionen zu verschrecken und die eigene Glaubwürdigkeit durch Lügengebäude zu verspielen. Das kann nicht gut gehen.

Nicht zur Schadenfreude besteht Anlass, sondern zu echter Besorgnis. Auch wer – wenigstens in Westeuropa – die US-Regierungen der letzten vierzig Jahre in Grund und Boden kritisiert hat, wegen Vietnam, Chile, Nicaragua, Fulda Gap oder eben Irak, vertraute doch trotzdem auf eine Sicherheitsgarantie wenigstens gegen jene, deren System man ebenfalls ablehnte. Atomwaffen in Nordkorea sind eine Katastrophe, genauso wäre es ein Flächenbrand im Nahen Osten.

Die „Schurken“ sind dabei, eine amoklaufende US-Regierung vorzuführen, aber das schadet weit mehr als nur ihr selbst. Die US-Regierung bemerkt erstaunt ihre Schwäche, doch all ihre außenpolitischen Konzepte und Instrumente gehen von Stärke aus. Das verunsichert die kritischen Verbündeten noch mehr.