Sudan paralysiert den UN-Sicherheitsrat

Keine Einigung in der UNO über eine Verfolgung von Darfurs Kriegsverbrechern in Sicht. Damit ist auch die Entsendung von UN-Truppen nach Südsudan blockiert. EU erwägt Rückzieher bei Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofs in Darfur

VON DOMINIC JOHNSON

Der ungelöste Streit zwischen EU und USA über eine Einschaltung des Internationalen Strafgerichtshofs in die juristische Verfolgung von Kriegsverbrechen in Sudans Kriegsregion Darfur blockiert die internationale Begleitung des gesamten sudanesischen Friedensprozesses. Eine Entscheidung über eine 10.000 Mann starke UN-Blauhelmtruppe für Südsudan, wo im Januar mit der Unterzeichnung eines Friedensabkommens zwischen Sudans Regierung und der südsudanesischen Rebellenbewegung SPLA (Sudanesische Volksbefreiungsarmee) ein 20 Jahre währender Krieg zu Ende ging, ist nach UN-Informationen diesen Monat nicht mehr zu erwarten. Dabei hatte UN-Generalsekretär Kofi Annan dem Rat seinen entsprechenden Vorschlag bereits Anfang Februar unterbreitet. Je länger sich eine internationale Truppenentsendung nach Südsudan hinzieht, desto größer wird die Gefahr, dass die schwelenden Konflikte dort erneut ausbrechen. Und dann wäre auch die Glaubwürdigkeit internationaler Appelle dahin, den Krieg in Darfur zu beenden.

Dem Sicherheitsrat liegt seit Montag ein US-Resolutionsentwurf zu Sudan vor, der mehrere weitreichende Beschlüsse zu Südsudan und Darfur miteinander koppelt. Enthalten sind darin die von Annan gewünschte Blauhelmtruppe für Südsudan sowie der Beschluss, innerhalb von 60 Tagen Mittel zur Stärkung der bestehenden Beobachtertruppe der Afrikanischen Union (AU) in Darfur zu finden. Gegen Verletzer des theoretisch geltenden Waffenstillstandes in Darfur sollen Reise- und Finanzsanktionen gelten, Darfur wird zur Flugverbotszone, gegen Sudans Regierung wird ein Waffenembargo verhängt. Kriegsverbrecher in Darfur, von einer UN-Untersuchungskommission bereits identifiziert, sollen mit „international akzeptierten Mitteln“ vor Gericht gestellt werden.

Letztere Passage soll die Einschaltung des IStGH umgehen und ist daher bisher für die EU nicht akzeptabel. „Alles tritt auf der Stelle, eine Einigung ist nicht in Sicht“, ließ sich am Dienstag ein UN-Diplomat zitieren. Der Chef-Außenpolitiker der EU, Javier Solana, sagte am Mittwoch: „Ich glaube nicht, dass wir Fortschritte machen werden.“ Er deutete allerdings Kompromissbereitschaft an: „Vielleicht sollten wir versuchen, einen Modus Vivendi zu finden, da wir wissen, dass kein US-Präsident diese Haltung ändern kann.“

Solana sagte, eventuell könne man sich auf die Nutzung des bestehenden Ruanda-Tribunals der UNO auch für Darfur einigen. Damit wird erstmals offiziell ein Kompromissvorschlag öffentlich, über den auch in der Bundesregierung bereits seit Wochen nachgedacht wird.

Doch der Streit um den Strafgerichtshof ist nicht der einzige Stolperstein. Die Vetomächte Russland und China lehnen ein Waffenembargo gegen Sudan strikt ab, denn beide sind wichtige Rüstungslieferanten des Sudan und China ist außerdem der größte ausländische Investor in Sudans boomender Ölindustrie. Derzeit ist obendrein der Innenminister von Weißrussland, ein anderer Rüstungslieferant des Sudan, in Khartum zu Besuch und führt Gespräche über „Terrorismusbekämpfung“.