Spanien sagt Danke und Ja

Jahrelang hat das südeuropäische Land von den Geldern aus Brüsssel profitiert. Daher rechnet man jetzt mit breiter Zustimmung zur EU-Verfassung

AUS MADRID REINER WANDLER

„Die Ersten in Europa“ sollen die Spanier sein. So steht es auf den Plakaten, mit denen die Bevölkerung des südeuropäischen Landes zum Gang an die Urnen bewegt werden soll. Denn an diesem Sonntag stimmen die Spanier als erste Europäer in einem Referendum über die EU-Verfassung ab. Regierungschef José Luis Rodriguez Zapatero hat das Dokument zwar bereits am 28. Oktober vergangenen Jahres in Rom unterzeichnet, doch er will die Zustimmung der Wähler. „Dieser Akt ist zwar rechtsgültig, doch er reicht nicht. Was tatsächlich Bestand vor der Geschichte hat, ist, was viele Männer und Frauen machen“, erklärt er immer wieder auf den Meetings seiner sozialistischen PSOE. Und diese vielen Männer und Frauen sollen Sí, sollen Ja sagen zur ersten Verfassung Europas.

Die konservative Volkspartei (PP) unterstützt ebenfalls die EU-Verfassung. Vergessen sind die Zeiten, als Zapateros Vorgänger José María Aznar die Verfassung zu verhindern drohte, weil er um den Einfluss Spaniens fürchtete. Den beiden großen Parteien schließen sich die gemäßigten Nationalisten aus dem Baskenland und Katalonien sowie mehrere Regionalparteien an. Gewerkschaften, ob sozialistisch oder kommunistisch, rufen wie die Unternehmerverbände zum Ja auf. „Wir werden in keinem Punkt schlechter dastehen als vor der Verfassung. Im Gegenteil, der Text wird uns in vielen Aspekten vorwärts bringen“, fasst Ex-Premier Felipe González die Argumente zusammen.

Nur ein Sammelsurium kleiner Parteien ruft dazu auf, gegen die Verfassung zu stimmen. Für die postkommunistische Vereinigte Linke (IU) ist sie eine „Verfassung des Kapitals“ und ein „Freibrief zum präventiven Angriffskrieg“.

Die radikalen Nationalisten, allen voran die Republikanische Linke Kataloniens, fühlen sich „ungeliebt von Brüssel“. „Die Verfassung macht aus Katalonien ein Land, das einem anderen Land untergeordnet ist“, wettert der ERC-Vorsitzende Rovira auf seinen Meetings.

Rechts von der Volkspartei PP sammeln sich all diejenigen, die bei diesem Referendum die Sozialisten für ihre fortschrittliche Politik abstrafen wollen. Ob der Rückzug aus dem Irak oder die Homoehe – hausgemachte Argumente finden sie genug. Diese Kampagne dürfte Erfolg haben. Umso mehr, nachdem es die katholische Kirche ihren Schäfchen freistellt, wie sie stimmen. Etwas, was bei Wahlen noch nie der Fall war.

Das Referendum in Spanien soll ein Testlauf für die restliche Union sein, so hoffen die Politiker in Brüssel. Und das hat seinen Grund: Seit seinem EU-Beitritt hat Spanien einen rasanten Modernisierungsprozess durchlaufen. Aus Brüssel flossen rund 105 Milliarden Euro in die spanische Wirtschaft. Die Menschen auf der Iberischen Halbinsel zeichnen sich daher als besonders EU-freundlich aus. So lag die Zustimmung zum Euro ebenso über dem EU-Schnitt wie die zur Osterweiterung oder jetzt zum neuen europäischen Grundgesetz: Nach jüngsten Umfragen liegt sie bei 60 Prozent.

Dennoch könnte am Sonntag nicht alles glatt gehen. Dann nämlich, wenn vor allem die Nein-Sager zu den Urnen gehen, die Ja-Sager aber zu Hause bleiben. Bereits die Briefwahl lässt Schlimmes befürchten. Es gingen 66 Prozent weniger Anträge auf Stimmabgabe per Post ein als bei den Parlamentswahlen. Gerechnet wird mit einer Wahlbeteiligung von 40 Prozent. Sollten die Spanier mit Abwesenheit vom Wahllokal ihr Desinteresse an der Verfassung zum Ausdruck bringen, wäre dies nicht das erhoffte positive Signal für den Rest der Union.

Dabei hat die Kampagne, die die Wähler an die Urnen bringen soll, 6 Millionen Euro gekostet. Überall im Land hängen Plakate, auf denen berühmte Musiker und Sportler zur Abstimmung aufrufen. Im Fernsehen und Radio werden bei jeder Nachrichtensendung Artikel aus dem Verfassungstext vorgestellt. In der Reality-Show „Big Brother“ wurden die Kandidaten im Wohncontainer einem EU-Quiz unterzogen, und vor den Erst- und Zweitligaspielen im Fußball wurden Infoblätter verteilt.

Im Unterschied zu Deutschland, wo die Verfassung bei den EU-Infostellen noch immer nicht erhältlich ist, lag jeder spanischen Zeitung, egal ob normale Tageszeitung, Wirtschaftsblatt oder Fußballpostille, ein Exemplar der Verfassung bei. 550.000 Euro flossen gar in eine neue Getränkemarke. „Referendum Plus“ heißt die isotonische Brause, die heute Abend zum letzten Mal vor Diskotheken verteilt wird, um die Jungwähler zu animieren.

„Wir haben von Europa viel bekommen. Ein Volk, das nicht anerkennt, dass ihm geholfen wurde, hat keine Zukunft. Deshalb muss Spanien seiner Dankbarkeit mit einem starken Ja Ausdruck verleihen“, versucht Zapatero die Bevölkerung in die Verantwortung zu nehmen.