„Bringen Sie Ihren Angelschein mit“

Während Arbeitslose monatelang auf Hilfestellung warten, zitiert das DGB-eigene Berufsfortbildungswerk bfw Bremerhavener mit Drohbriefen zum Bewerbungstraining. Die schütteln bloß noch den Kopf: Sie haben seit Jahren einen Job

Bremerhaven taz ■ Die Packliste ist lang: Bewerbungsschreiben, Lebenslauf, handgeschriebene Aufzeichnungen, sowie „alle vorliegenden Zeugnisse und Teilnahmebescheinigungen“, sollen die Angeschriebenen mitbringen, Personalausweis, Arbeits- und Aufenthaltsbescheinigungen, wenn möglich auch gleich ein „gutes Bewerbungsfoto“, nicht zu vergessen Nachweise und Zertifikate privat erworbener Qualifikationen, „z.B. Anglerschein etc.“ So steht es in einem Schreiben, das das Berufsfortbildungswerk (bfw) des DGB jetzt offenbar Dutzenden von BremerhavenerInnen ins Haus schickte. Dreieinhalb Stunden sind darin für eine „Auftaktveranstaltung“ veranschlagt, von halb eins bis 16 Uhr, der Termin: knapp eine Woche später. „Ein Nichterscheinen“, so die unverholene Drohung gleich im zweiten Absatz, „kann zur Minderung oder Einstellung Ihrer Leistungen führen“ und müsse „der zuständigen Agentur für Arbeit“ gemeldet werden.

„Ich war geschockt“, sagt Anja Schmidt (Name von der Redaktion geändert). Ziel der Aktion nämlich sei, festzustellen, „wie wir Sie bei Ihrer Suche nach einem Ihren Erwartungen und Ihren Qualifikationen entsprechenden Arbeitsplatz unterstützen können“. Ein schlechter Witz: Schmidt ist seit neun Jahren als Arzthelferin beschäftigt, ein Vollzeitjob.

Kein Einzelfall, offensichtlich. Schmidt kann aus dem Stand heraus drei weitere Personen aus ihrem Bekanntenkreis nennen, die denselben Schrieb vom bfw erhalten haben. Alle haben sie einen Arbeitsplatz – und alle haben sie einen arbeitslosen Partner. Der ihre habe, berichtet Schmidt, im letzten Jahr vorschriftsmäßig den umfangreichen ALG II-Antragsbogen ausgefüllt, wo auch Daten des Lebenspartners abgefragt wurden – insbesondere zu dessen Einkommenssituation.

Der ARGE, die von der Agentur und dem Bremerhavener Sozialamt gebildete Arbeitsgemeinschaft, die sich um die EmpfängerInnen von Arbeitlosengeld II kümmern soll, sei also durchaus bekannt gewesen, dass sie Arbeit habe, ärgert sich Anja Schmidt. „Das war alles angegeben.“ Trotzdem verbuchte die ARGE sie als „Neukunden“. Und weil sie selbst frühestens im Juli voll handlungsfähig ist, beauftragte sie das bfw, Schmidt „zu beraten und zu vermitteln“.

Dass ausgerechnet eine gewerkschaftseigene Gesellschaft wie das bfw nun erwerbstätige BremerhavenerInnen mit derlei Briefen bedränge, sei „doppelt empörend“, sagt Klaus Görke, Mitarbeiter der Solidarischen Hilfe e.V. Bremerhaven. Selbst SchülerInnen und Auszubildende, weiß er, seien zur Fortbildung und Vermittlung zitiert worden. Weder das bfw noch die Agentur für Arbeit noch die ARGE waren gestern für eine Stellungnahme zu erreichen. Görke rät allen Betroffenen, umgehend Widerspruch einzulegen.

Ihr Partner, der seit Monaten Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe und jetzt Arbeitslosengeld II beziehe, sei weder von der Agentur noch von der ARGE noch von einem so genannten „Dritten“ wie dem bfw jemals zu einem Gespräch eingeladen worden, sagt Schmidt. Auch ein Bewerbungstraining oder Fortbildungsangebote habe es für ihn noch nie gegeben. Schmidt beteuert: „Er hätte gar nichts dagegen.“

Armin Simon