Der Typ „netter Nachbar“

NPD-Kandidaten in Schleswig-Holstein sind meist unauffällig und nicht sozial geächtet. Ein Kamerad aber ist vorbestraft

AUS KIEL ANDREAS SPEIT

„Nach Sachsen jetzt Schleswig-Holstein“, lautet die Devise der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Hatte die NPD-Bundesleitung für die Wahl in Sachsen zusätzlich Kader aus dem Bundesgebiet zusammengezogen, begnügt sie sich in Schleswig-Holstein jedoch mit Personal aus dem Bundesland. Nur Wahlredner und -helfer kamen. Aus dem Süden reiste immerhin extra Norman Bordin in den hohen Norden. Der wegen schwerer Körperverletzung vorbestrafte Gründer der „Kameradschaft Süd“ in München wollte wie etliche militante Neonazis die NPD im Wahlkampf tatkräftig unterstützen. Einige Kameradschaftsangehörige stehen in München derweil wegen eines geplanten Sprengstoffanschlags auf einen jüdischen Gemeindekomplex vor Gericht.

Die gesellschaftliche Verankerung der sechs Listenkandidaten und weiteren fünf Direktkandidaten im Land ist gering. Kein Apotheker, Fahrlehrer oder ein in der Gemeinde kommunalpolitisch aktiver Sympathieträger tritt für die NPD an. Doch es ist auch nicht so, dass die NPD-Vertreter sozial geächtet würden. Oft werden sie als „netter Nachbar“ geschildert.

Das sind die sechs ersten Kandidaten auf der NPD-Landesliste:

Uwe Schäfer ist NPD-Landesvorsitzender und Kandidat im Luftkurort Plön, wo er neben einem Kaffeeversand, der Krankenhäuser- und Altenpflegeheime beliefert, einen Laden betreibt. Kaffee und Marzipan können bei dem 67-Jährigen am Markt gekauft werden. Der bieder auftretende Vater von drei Kindern engagiert sich in der Gemeinde nicht sonderlich. Auch im Vereinsleben des Ortes soll er nicht hervortreten. Weniger unauffällig ist er auf NPD-Veranstaltungen: „Mit unserem Einzug in den Reichstag“ werde es wieder einen „Volksgerichtshof“ geben, ruft er beispielsweise, vor dem sich „jeder Politiker, der unserem Land Schaden zugefügt habe, rechtfertigen“ müsse. Der eigene Landesverband attestierte Schäfer indes Untätigkeit und wählte den langjährigen Landeschef Ende der 90er-Jahre ab. Erst nach internen Machtkämpfen übernahm er 2003 wieder den Vorsitz.

Ingo Stawitz aus Uetersen, Vater von drei Kindern, ist NPD-Listenführer, Wahlkampfleiter und Chef des NPD-Bezirks Südwest mit den Kreisen Pinneberg, Segeberg, Steinburg und Dithmarschen. In der Stadt nicht weit von Hamburg wissen die Menschen über die politischen Aktivitäten des Tiefdruckfarbretuscheurs Bescheid. „Ja, ja, den kenne ich“, heißt es oft. Gegen den 54-Jährigen, der sich auch gegenüber der Presse gern freundlich und zuvorkommend gibt, läuft allerdings ein Ermittlungsverfahren. Bei der Wahlkampfauftaktveranstaltung am 4. Dezember in Steinburg warf Stawitz Steine auf Gegendemonstranten und trat auf eine am Boden liegende Frau ein. Fernsehaufnahmen belegen die Tat. Doch Stawitz erklärt sein Verhalten als „eine Abwehrmaßnahme und den Versuch, einige dingfest zu machen“. Stawitz hat schon Parlamentserfahrung. Von 1992 bis 1996 saß er erst für die DVU, dann für die Deutsche Liga für Volk und Heimat im Landtag.

Jens Lütke ist mit 26 Jahren der jüngste NPD-Kandidat. Der 26-Jährige möchte indes Parteikarriere machen. Als stellvertretender NPD-Landesvorsitzender und Schriftleiter der NPD-Zeitung Schleswig-Holstein Stimme steuert er schon die Landesgeschicke der Nationaldemokraten mit. Im Wahlkampf bemüht er sich um die Neonazis bei den „Freien Kameradschaften“. Ist er doch eng mit der „Kieler Kameradschaft“ verbunden. Getreu dem NPD-Weltbild erklärt er, dass die „an den Schaltstellen der Macht befindlichen Alt-68er eine Katastrophe verursacht“ hätten: Arbeitslosigkeit und Überfremdung.

Wolfgang Schimmel tritt kaum öffentlich für die NPD auf. Selbst manche Nachbarn in seinem Wohnort Leezen, einem kleinen Ort nicht weit von Bad Oldesloe, wissen nicht, für welche Partei Schimmel sich engagiert. Ganz volksnah gibt sich der verheiratete 42-jährige Diplomingenieur, Vater eines Kindes und Mitglied des NPD-Landesvorstands, in seinem Statement auf der NPD-Wahlwebsite: „Politik muss sich endlich wieder nach dem Willen des Volkes richten. Dazu ist es notwendig, wirksame Volksentscheide einzuführen.“ Und es dürfe nicht sein, „dass sich ein Parlament über das Ergebnis eines Volksentscheides durch neue Beschlüsse hinwegsetzen darf, wie es bei der Rechtschreibreform in Schleswig-Holstein geschehen ist“.

Auf dem Foto der NPD-Landtagskandidaten sind nur Herren zu sehen. Die einzige Frau unter den Listenkandidaten, Ute Nehls, fehlt. Sie scheute die Kamera. Die 43-jährige ledige Sekretärin aus Trittau, zwischen Hamburg und Mölln, mied auch Wahlveranstaltungen. Die Wahlstrategen legten ihr allerdings eine der wenigen Aussagen aus dem Wahlprogramm zur Landespolitik in den Mund: „Der unerträgliche Zustand, dass Firmen immer größere Anteile ihrer Produktion aus Schleswig-Holstein ins Ausland verlagern, wie zum Beispiel Panasonic und Saur & Sohn nach Ungarn oder Motorola nach China, muss gestoppt werden.“

Kaum einen Aufmarsch der NPD oder der „Freien Kameradschaften“ lässt Peter von der Born aus. Seit Jahren bewegt sich der 27-jährige Maurer im Spektrum der Partei und im Kameradschaftsnetzwerk zwischen Kiel und Hamburg. Flugblattverteilungen, Infostände, Schutzdienst – immer wieder ist er mit dabei. Allerdings nie als Macher. Öffentliches Reden fällt dem treuen Parteisoldaten aus Kiel schwer. So war er auch 2003 „nur“ Mitläufer bei einer kurzzeitigen Hausbesetzung von Neonazis in Lübeck, angeführt vom damaligen NPD-Landeschef und Kameradschaftsführer Peter Borchert, der zurzeit wegen Waffenhandels in Haft sitzt. Für die Straftat musste von der Born 400 Euro zahlen. Nicht die einzige Verurteilung. Denn der kräftige, untersetzte Kurzhaarträger, dessen Haare zu den Wahlen etwas länger wurden, schlägt schnell zu. Mehrfach ist er wegen Körperverletzung vorbestraft.