Mister Karibik

Aubelin Jolicoeur, der bekannteste Klatschreporter Haitis, ist tot. Graham Greene machte ihn weltberühmt

Im eleganten weißen Anzug hielt er auf der Veranda des legendären Hotel Oloffson in Port-au-Prince Hof: der Journalist und Kunsthändler Aubelin Jolicoeur, Freund der Frauen und Diktatoren. Als die in den letzten Jahrzehnten völlig verelendete Karibikinsel noch von Touristen besucht wurde, stellte er prominente und weniger prominente ausländische Gäste in seiner Gesellschaftsrubrik im Nouvelliste in den schmeichelhaftesten Farben vor und machte sich und Haiti auf diese Weise viele Freunde.

Klein und zierlich, immer seinen Spazierstock mit silbernem Knauf herumwirbelnd, umtänzelte er die weiblichen Gäste, von denen nicht wenige seinem französisch-karibischen Charme erlagen. Männliche Gäste, zumal Kulturschaffende und Journalisten, beeindruckte er mit seiner profunden klassischen Bildung und vor allem mit seinen Beziehungen in alle Kreise der haitianischen Gesellschaft. Aubelin Jolicoeur kannte jeden, und jeder kannte ihn. Seine Informationen, Kommentare und Klatschgeschichten haben so manchen ausländischen Berichterstatter vor anstrengenden Recherchen in der Hitze und im Staub von Port-au-Prince bewahrt. Ein Stammgast im Oloffson, der amerikanische Schriftsteller Herbert Gold, sagt von Aubie, er sei der Tom Wolfe von Haiti.

Unter dem mörderischen François „Papa Doc“ Duvalier und seinem etwas milderen Sohn Jean-Claude bekleidete er verschiedene Ämter im Informationsministerium. 1986, nach dem Sturz von Baby Doc, dessen Politik der Journalist in seiner Kolumne hin und wieder leise kritisiert hatte, wurde er von der ersten – kurzlebigen – demokratischen Regierung als Dank für seine kulturellen und touristischen Verdienste zum Tourismusminister ernannt.

In die Weltliteratur ging Aubelin Jolicoeur ein als Petitpierre in Graham Greenes spannendem Schlüsselroman „Die Stunde der Komödianten“ über die düstere Zeit des Terrorregimes: „Manche sagten von Petitpierre, er habe Beziehungen zu den Tontons Macoute“ (der Miliz von Papa Doc). „Wie wäre er sonst Misshandlungen und Schlimmerem entgangen? Und doch gab es Stellen in seiner Klatschspalte, die von einer seltsamen satirischen Keckheit zeugten.“ Angeblich gab er Greene auch den Originaltitel „The Comedians“ ein, indem er ihn darüber aufklärte, dass alle Haitianer Schauspieler und Mythomanen seien, die ständig mehr erfundene als wahre Geschichten erzählen. (Später sollte man diese Art der Darstellung magischen Realismus nennen.)

Als der Regisseur Peter Glenville ihn 1967 für die Verfilmung des Buchs mit Elizabeth Taylor, Richard Burton und Peter Ustinov als Darsteller seiner selbst engagieren wollte, lehnte er dankend ab, weil er nach den Dreharbeiten nicht in seine Heimat hätte zurückgehen können.

An Parkinson erkrankt und verarmt, wurde Jolicoeur in den letzten Jahren vom Besitzer des Jacmélienne Beach Hotel in seiner Heimatstadt Jacmel aufgenommen, wo er jetzt 81-jährig starb. ULI AUMÜLLER