„Wähler sind keine Ratten“ sagt Kuno Haberbusch

Journalisten müssen im Umgang mit der NPD auf eine präzise Sprache achten – und der Partei fachlich gewachsen sein

taz: Herr Haberbusch, wenn die NPD am Sonntag in den Landtag von Schleswig-Holstein käme. Welche Frage würden Sie dem Spitzenkandidaten stellen?

Kuno Haberbusch: Ich würde fragen, wie es denn kommt, dass verschiedene seiner jetzt gewählten Abgeordneten wegen Gewalttaten vorbestraft sind, und ob das die Abgeordneten sind, mit denen er die Probleme des Landes angehen will.

Der NPD-Parteichef Udo Voigt hat auf eine ähnliche Frage gesagt, das sei Vergangenheit und seine Partei hole die Schläger von der Straße herunter.

Dann ist die NPD also ein Resozialisierungsprogramm, ja? Na dann aber bitte nicht im Landtag und nicht auf Kosten des Steuerzahlers. Aber mir würden da noch andere Fragen einfallen: Warum meint man politische Gegner mit Gewalt bekämpfen zu müssen – mit Tritten, mit Schlägen, mit Steinwürfen. Das ist ja bei der von „Panorama“ gefilmten NPD-Versammlung passiert.

Sie würden also nicht versuchen, Rechtsextreme von Interviews im Fernsehen ausgrenzen?

Nein. Diese Typen profitieren doch von zweierlei: Erstens, dass wir sie dämonisieren. Zweitens, dass wir unheimlich viel über sie reden und versuchen sie auszugrenzen. Davon profitieren sie, weil sich doch viele ihrer Wähler genau so in dieser Gesellschaft vorkommen: als Ausgegrenzte, als Underdogs, als allein Gelassene. Statt dessen müssen wir die NPDler integrieren. Denn wenn die nicht mitreden dürfen, dann wirkt das so wie bei den Gesprächen über Jugendproteste in den 80er-Jahren. Da saßen 60-jährige Pädagogen und redeten über 16-jährige Schüler. So etwas leuchtet dem Zuschauer nicht ein und hilft damit auch der NPD.

Die Medien sollen die Rechtsextremen also behandeln wie jede andere Partei? Bei Gottschalk und Böhme ist das schon einmal kräftig schiefgelaufen.

Man muss im Umgang mit Rechtsextremen vorher mehr recherchieren, damit man deren Phrasen mit Fakten begegnen kann. Das scheint für einige Kollegen eine Überforderung. Gottschalk hatte Schönhuber nur seine gut gemeinte moralische Empörung entgegenzusetzen. Das allein hilft aber journalistisch nicht weiter. Böhme war für Haider zu schlecht vorbereitet. Man darf sich von denen nicht provozieren lassen. Wenn Journalisten, wie nach der Sachsenwahl geschehen, bei allen Parteienvertretern unwidersprochen zulässt, dass sie sich bei ihren Wählern bedanken, dann kann sie nicht dem NPD-Typ aus falsch verstandenem Gutmenschentum das Mikro wegnehmen. Das erweckt den Eindruck Journalisten und demokratische Politiker würden beide einer Art Elite angehören, die gemeinsame Sache gegen die angeblich Unterdrückten macht.

Sie fordern eine seltsam verstandene Objektivität. Finden sie es nicht berechtigt, den Rechtsextremen für ihre Parolen kein Podium zu geben?

Nein. Wir müssen gewappnet dafür sein, dass sie leugnen und lügen. Dann muss das entsprechende Dokument oder der Kameraausschnitt als Beweis präsent sein. Sich nur zu empören reicht für Journalisten leider nicht aus. Ich muss intellektuell in der Lage sein, solchen Parolen entgegnen zu können.

Das klingt gut, ist aber offensichtlich nicht so einfach.

Das ist aber häufig die Schuld der Journalisten. Derzeit berichten viele über Rechtsextremismus. Aber wer von denen weiß denn wirklich etwas über die NPD-Kandidaten und ihre oft zweifelhafte Vergangenheit? Oder wer besucht diese Leute im Vorfeld der Wahl mit der Kamera und fragt sie zu ihrem angeblichen Fachgebiet? Da kommt hilfloses Gestottere. Und je öfter man solche journalistisch sauberen Bilder ausstrahlt, desto verheerender ist die Wirkung für die Rechtsradikalen. Aber es gibt leider zu wenige gute Fachjournalisten auf dem Gebiet, und die Ahnungslosen fokussieren sich auf die Angst vor Bildern, wie die vor einer Demonstration am Brandenburger Tor.

In Sachsen-Anhalt gab es auch nur die DVU; halten Sie die NPD in Sachsen nicht für intelligenter und professioneller?

Die in Sachsen sind vordergründig vielleicht nicht solche Dumpfbacken, obwohl sich auch zu ihrer Vergangenheit einiges sagen ließe. Und Fakt ist auch, dass diese Schlipsträger außerhalb des Landtages häufig ganz offen mit gewaltbereiten Springerstiefel-Typen gemeinsame Sachen machen. Parteien wie die SPD und die CDU müssen sich doch gefallen lassen, wenn man nicht nur über ihre Parteitage berichtet, sondern auch über Parteileute, die rechtsradikales Gedankengut verbreiten. Der CDU-Abgeordneten Martin Hohmann ist da kein Einzelfall.

Ist mangelnde Recherche das einzige Problem?

Nein, die Sprache ist ein weiteres. Warum nennen Journalisten und Politiker die NPD Rattenfänger? Wähler sind keine Ratten. Auch der Begriff „Protestwähler“ ist problematisch, denn er akzeptiert die Wahl von Rechtsextremen als angeblich legitimen Protest. Eine präzise Sprache, wäre schon eine ganze Menge, um der journalistischen Herausforderung durch die Rechtsradikalen gerecht zu werden.

INTERVIEW: DANIEL SCHULZ