Im Unheil zu Hause

Herrin im fremden Haus: Vadim Perelmans schöne Romanverfilmung „Das Haus aus Sand und Meer“

Dass dieser Film kein gutes Ende nehmen wird, signalisiert schon der Beginn, von dem rückblickend aus erzählt wird: flackernde Blaulichter in der Abenddämmerung, ein Kranken- und ein Polizeiwagen, die beide vor einem Haus an der Westküste bei San Francisco stehen, und im Vordergrund eine junge Frau, die in T-Shirt und Shorts traurig-versunken auf die Szenerie blickt und von einem Polizeibeamten gefragt wird, ob das ihr Haus sei, was sie nickend bejaht.

Man muss kein Prophet sein, um zu sehen, dass hier ganze Ladungen von Unglück transportiert werden, und ja, Vadim Perelmans Erstling „Haus aus Sand und Nebel“ erweist sich als ein trauriger Film. Er ist ein Film, der zu Herzen gehen will, dabei aber über weite Strecken ohne falsche, künstliche Sentimentalitäten auskommt. Ein ordentliches Hollywood-Melodram von der Sorte, die keine hoffnungsfrohen Zwischenhochs und Happy-Ends kennt, die zwischen Gut und Böse nicht unterscheidet, die keine Figur verurteilt und nur von Verlierern bevölkert wird.

Dass hier niemand aus einem Idyll in den Abgrund gezogen wird, zeigen die nächsten beiden Szenen. Man sieht einen Mann, der in einer Straßenbaukolonne arbeitet, in diese aber von Aussehen und Habitus offensichtlich nicht reinpasst. Nach Feierabend zieht er sich tatsächlich auf der Toilette eines Hotels um, schlüpft in einen Anzug und fährt mit seinem Wagen zu einem vornehm aussehenden Apartment-Hochhaus. Und man sieht die junge Frau, wie sie von einem Gerichtsvollzieher und Polizeibeamten aus ihrem Haus geworfen wird.

Perelman zeigt in der Folge ruhig, gemächlich und in farbigen Bildern, wie sich ihrer beider Leben unaufhaltsam aufeinander zubewegen und schließlich unheilvoll aufeinander prallen: das von Massoud Amir Behrani und seiner Familie, die nach dem Sturz des Schahs ihr Land verlassen musste, weil Behrani (von Ben Kingsley großartig steifhüftig dargestellt) Offizier des Schahs war. Und eben das der weißen Durchschnittsamerikanerin Kathy Nicolo (Jennifer Connolly), einer Putzfrau und Ex-Alkoholikerin, die ein paar Monate vorher von ihrem Ehemann verlassen wurde und nun ganz auf der Straße steht.

Kathys Haus, ein Erbe des verstorbenen Vaters, wird zum Objekt der Begierde beider Parteien, materiell und symbolisch. Behrani kauft es vom kalifornischen Staat bei einer Versteigerung, um es gewinnbringend weiterverkaufen zu können. Doch nachdem er mit Frau und Sohn eingezogen ist und sich bei den Behranis gar Heimatgefühle einstellen, tritt Kathy wieder auf den Plan, um es zurückzuerlangen, und es entspinnt sich ein zäher Kampf um das Haus.

Bei aller gebotenen Rührseligkeit, aller Melodramatik, und das ist das Schöne und Interessante an diesem Film, den Perelman sehr getreu nach der Vorlage eines Romans von Andre Dubus III gedreht hat, produziert „Das Haus aus Sand und Nebel“ aber auch eine Art Gegenmodell zum amerikanischen Mythos des ständigen Unterwegsseins. Der Film erzählt von der Sehnsucht nach einem festen Zuhause, nach einem Refugium in einer hochmobilen Welt, die Kathy zwangsweise in Motels und Drive-Inns kennen lernt und die für die Behranis als Emigrantenfamilie sowieso ein Dauerzustand geworden ist.

Das geht dann zwar nicht ganz ohne das eine oder andere zu, zu, zu schöne Bild, etwa wenn die Golden Gate Bridge im Nebel liegt oder immer wieder ein Sonnenuntergang gezeigt wird, wenn also der Sand und der Nebel zu ihrem Recht kommen sollen, und das scheint auch nicht ohne diese wieder einmal viel zu aufdringliche Musik auszukommen, die die Bilder unentwegt begleitet.

Doch insgesamt entfacht die Tatsache, dass jeder Abzweig für eine gütliche Lösung von allen Beteiligten standhaft ignoriert wird, dass sich die Schicksale der Behranis und von Kathy und ihrem neuen Geliebten und ultimativen Todesengel, dem Polizisten Lester Burdon (Ron Eldrard), immer heilloser miteinander verstricken, beim Zuschauen eine Sogwirkung, der sich schwer bis gar nicht zu entziehen ist. Nur zu gut kann man am Ende nachvollziehen, wenn Kathy Nicolo in der letzten Einstellung des Films, die der allerersten exakt gleicht, die Frage des Polizeibeamten doch lieber abschlägig beantwortet: „Nein, das ist nicht mein Haus.“ GERRIT BARTELS

„Das Haus aus Sand und Meer“. Regie Vadim Perelman. Mit Ben Kingsley, Jennifer Connolly u. a. USA 2003, 126 Min.