briefe aus bangladesch
: Einladung in den Dhaka Club

Demokratie? Funktioniert in Bangladesch nicht, sagt Farid. Immerhin ist hier im Club das Essen ausgezeichnet

Der Geländewagen, der uns abholt, ist so groß, dass er kaum aus der Tiefgarage kommt. Die Scheinwerferstrahlen tasten sich durch Smog und Staub, beleuchten Lkws, vollgepackt mit Rindern auf dem Weg zum Schlachthof, zerbeulte Busse ohne Licht, mit Passagieren auf dem Dach, die ausgemergelten Gesichter der Rikschafahrer, die knatternden Dreiräder. Auf der dreispurigen Straße fahren fünf, manchmal sechs Fahrzeuge nebeneinander. Von überall Hupen, nichts geht vorwärts. Eine Frau in Lumpen hält ihr kleines Kind an die Scheibe, bittet um Geld. In die Kopfstützen der Ledersitze sind Bildschirme eingelassen, es gibt sogar eine Fernbedienung. Nur läuft gerade kein Film.

An der Einfahrt zum Clubgelände regelt ein Wächter mit einem Leuchtstab den Verkehr, ein anderer steht in Militäruniform mit rotem Barett am Tor. Er salutiert, als wir einfahren. Diener in weinroter Livree öffnen die Türen. Wir gehen durch eine Sicherheitsschleuse. Willkommen im Dhaka Club. Der Gastgeber, nennen wir ihn Farid, ist ein frisch pensionierter hoher Funktionär. Der Dhaka Club hat rund 2.000 Mitglieder. „In diesem Club sind die Leute, die das Land regieren“, sagt Farid. „The people who are calling the shots.“ In der Eingangshalle hängen Tafeln mit allen Clubvorsitzenden, im 19. Jahrhundert britische Namen, dann bengalische, die neueren mit Bild, das jüngste von einer Frau. Die Wände sind mit dunklem Holz verkleidet, doch alles, was an Salons aus Agatha-Christie-Filmen erinnern könnte, wird überblendet durch die Neonbeleuchtung und die runden Konferenztische mit billigen Bürosesseln drumherum, wie aus den Kontoren zweifelhafter Import-Export-Firmen.

Es gibt auch ein paar Couchtische, wir sitzen auf mietwohnungskompatiblen Polstermöbeln mit Stoffbezug und bekommen unsere Drinks. Drinks! Während es draußen schwer ist, überhaupt ein Bier zu bekommen, habe ich hier die Wahl zwischen Carlsberg, Heineken und Foster’s – und während draußen eine Dose Bier so viel kostet wie ein einfaches Hotelzimmer, zahlt man im Club Duty-free-Preise. Farid trinkt einen Whisky namens „Passport“, der mit Wasser verdünnt wird, bis das Longdrinkglas voll ist.

Farid hat seine Frau und zwei Schwestern mitgebracht, ein ehemaliger Bankier ist eingeladen, ein Versicherungsmanager und ein in Europa lebender Geschäftsmann, der mit Textilien handelt. „Mein Vermögen verdiene ich in Bangladesch“, sagt er, „aber ich könnte hier nicht mehr leben.“

Ein Diener wird herbeigewunken, er soll uns über das Clubgelände führen. Die Bar im ersten Stock sieht retro aus, ist aber wohl nicht so gemeint. Wir schauen kurz in einen Nebenraum – es wird still, die Männer an den Tischen halten ihre Karten fest und schauen uns an. Glücksspiel ist eigentlich nicht erlaubt in Bangladesch. Der Club ist nicht Bangladesh. Das Casino wird geduldet. Und es sieht überhaupt nicht illegal aus, weil auch hier: Neonbeleuchtung wie eine Mehrzweckhalle.

Das Essen im Dhaka Club ist übrigens gut: hervorragendes Shishkebab, cremig-würziges Dal, Fisch mit einem Feuerwerk von Gewürzen. Das Tischgespräch plätschert auf Englisch – eine Höflichkeit, die keinem hier schwer fällt: Alle waren auf englischen Schulen.

Während die größte englischsprachige Zeitung des Landes kürzlich auf 52 Seiten Sonderbeilage nach Wegen suchte, die fragile Demokratie in Bangladesch zu stärken, ist Farid skeptisch: „Solange die Leute nicht besser ausgebildet sind, kann eine Demokratie nicht funktionieren.“ Der Geschäftsmann – nebenbei Honorarkonsul seines Heimatlandes – geht noch weiter. Eine Militärregierung wäre das Beste für Bangladesch, meint er: „Die Leute müssen erst mal Disziplin lernen – und zwar mit dem Stock, die nächsten 50 Jahre.“ Erfolgreiche Staaten wie Singapur oder China seien schließlich auch nicht demokratisch. Die Toten vom Platz des Himmlischen Friedens? „Was sind schon tausend Chinesen, es gibt eine Milliarde davon.“

Am nächsten Tag soll die Frau des Geschäftsmanns ein Waisenhaus besuchen – „irgendwas Philanthropisches“, sagt er. Bestimmt wird sie etwas spenden.

JOCHEN NEUMEYER

Jochen Neumeyer ist Schriftsteller und Journalist; zuletzt erschien bei Suhrkamp sein Roman „Sommerstarre“.