In Kiel wackelt die Heide

Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein zeichnet sich ein Machtwechsel ab. CDU wird klar stärkste Partei. SPD erleidet dramatische Verluste. Grüne knapp behauptet. NPD bleibt draußen

KIEL afp/dpa/taz ■ Bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein hat die regierende rot-grüne Koalition unter Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) eine klare Niederlage hinnehmen müssen. Die CDU konnte nach 17 Jahren in der Opposition auf einen Machtwechsel hoffen. Laut ZDF-Hochrechnung kam die SPD auf 38,5 Prozent der Stimmen und verlor damit rund fünf Prozent. Die CDU wurde mit rund 40 Prozent stärkste Partei. Die Grünen kamen auf gut 6 Prozent, die FDP auf unter 7 Prozent der Stimmen. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW), der als Partei der dänischen Minderheit nicht der Fünfprozenthürde unterliegt, konnte mit knapp 4 Prozent der Stimmen rechnen. Die NPD kam laut ZDF auf 2 Prozent und wäre damit nicht im Landtag vertreten.

Bei diesem Wahlausgang käme die CDU auf 30, die FDP auf 5 Sitze. Damit wäre die knappste Mehrheit von 35 Sitzen erreicht. Auf die SPD entfielen 28 Sitze, 4 an die Grünen und 2 an den SSW. Aufgrund dieses äußerst knappen Ergebnisses war aber auch noch ein Patt im Wahlausgang denkbar.

Der CDU-Spitzenkandidat Peter Harry Carstensen erklärte sich am Abend zum Sieger der Landtagswahl. „Wir haben die Wahl gewonnen“, sagte der Herausforderer. Die Bürger hätten der CDU den Auftrag zur Regierungsbildung gegeben, und „das werden wir machen“. Die amtierende Ministerpräsident Simonis zeigte sich enttäuscht über das Wahlergebnis. Die Partei habe einen guten und engagierten Wahlkampf geführt und auch die richtigen Themen aufgegriffen, erklärte sie am Sonntagabend im ZDF. „Wenn man's nicht ganz schafft, wie es jetzt aussieht, ist man nicht besonders erfreut und ein bisschen enttäuscht.“ Auf die Frage, was sie mache, wenn sie nicht mehr Ministerpräsidentin sei, antwortete sie: „Mir fällt dann schon was ein.“

Insgesamt waren 13 Parteien und sieben Einzelbewerber zur Wahl angetreten. Die Abstimmung im nördlichsten Bundesland ist die erste von zwei Landtagswahlen in diesem Jahr und gilt als Stimmungstest für die Bundestagswahl 2006. Drei Monate vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen werten CDU und FDP den Wahlausgang in Schleswig-Holstein als starken Rückenwind für den angestrebten Machtwechsel am Rhein. „Das heutige Wahlergebnis ist eine gute Botschaft für die CDU in Nordrhein-Westfalen“, sagte CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers. „Die CDU wird wieder mit Rückenwind für den Wechsel im Mai kämpfen.“ SPD und Grüne sehen in den starken Verlusten von Rot-Grün in Kiel kein schlechtes Vorzeichen für die Wahl am 22. Mai. Für Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) hat sich nach der SPD-Niederlage in Schleswig-Holstein die Ausgangsposition für die Landtagswahl in drei Monaten nicht verändert. „Für die NRW-Wahl bleibt alles wie es war“, sagte er in Düsseldorf. Er habe immer gesagt, die NRW-Wahl am 22. Mai sei ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

Erneut zeichnete sich am Sonntag eine geringere Wahlbeteiligung in Schleswig-Holstein ab. Bis zum Spätnachmittag hatten nach Angaben des Landeswahlleiters 62,2 Prozent der knapp 2,2 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben. Das waren gut 3 Prozentpunkte weniger als bei der Wahl vor fünf Jahren. Bei der Wahl im Februar 2000 war die Beteiligung mit 69,5 Prozent auf ein historisches Tief gesunken. Nach unterschiedlichen Angaben sank die Wahlbeteiligung in diesem Jahr nochmals auf 67,5 Prozent (ARD) bzw. 66,8 Prozent (ZDF). Die Zahl der Wahlkreise war von 45 auf 40 verkleinert worden.

Bei der Landtagswahl 2000 hatte die SPD 43,1 Prozent der Stimmen erhalten, die CDU kam damals auf 35,2 Prozent. Auf die FDP entfielen 7,6 Prozent und auf die Grünen 6,2 Prozent. Der SSW kam mit 4,1 Prozent der Stimmen ins Parlament. GB

brennpunkt SEITE 3 und 4