Militanter Tierschutz soll riskanter werden

Die britische Regierung will Tierversuchslabore noch besser schützen – indem sie Aktivisten härter bestraft

DUBLIN taz ■ Militanten Tierschützern drohen künftig fünf Jahre Haft – wegen organisierter Kriminalität. Das will jedenfalls die britische Regierung: Vor dem Londoner Unterhaus wird zurzeit eine Erweiterung des Gesetzes gegen organisiertes Verbrechen debattiert, die sich ausdrücklich auf Aktionen gegen Tierversuchslabore bezieht. So soll künftig das Verteilen von Flugblättern, das Verschicken von Briefen mit beleidigendem Inhalt oder die Verleumdung von Menschen, die irgend etwas mit Tierversuchen zu tun haben, geahndet werden. Bisher fallen derlei Taten unter das Zivilrecht.

Zudem übernimmt die Regierung die zusätzlichen Sicherheitskosten für den Bau des umkämpften Primaten-Forschungslabors an der Oxford University. Der rund 26 Millionen Euro teure Bau musste im vorigen Jahr gestoppt werden – die Baufirma gab den Auftrag zurück, nachdem sie von militanten Tierschützern bedroht worden war.

Wissenschaftler und Pharma-Industrie begrüßten die Verschärfung der Gesetze. Simon Festing, Geschäftsführer der „Gesellschaft für die Verteidigung der Forschung“, sagte: „Diese Tierschutzextremisten sind außer Kontrolle. Es ist an der Zeit, dass etwas unternommen wird.“ Tierschützer bezeichneten die Maßnahmen als „Wahlkampfgeschenk für die Pharma-Unternehmen“, die angedroht haben, aus Sicherheitsgründen Großbritannien zu verlassen.

Ob sie sich durch die neuen Gesetze sicherer fühlen können, ist zweifelhaft. Schließlich waren Sabotage an Laboratorien und die Bedrohung der Angestellten bislang auch nicht legal: Es gibt Gesetze gegen Verschwörungen, gegen Aufrufe zur Gewalt und gegen die Veröffentlichung von Namen, Adressen und Autokennzeichen der Angestellten von Tierversuchsanstalten. Darüber hinaus können Gerichte die Umgebung der Labore sowie der Häuser sämtlicher Mitarbeiter zu Sperrzonen erklären. Und die weitreichenden Gesetze gegen mutmaßliche Terroristen, die Innenminister Charles Clarke vor zwei Wochen modifiziert hat, gelten auch für militante Tierschützer. Dazu gehört das Recht des Innenministers, Hausarrest ohne Anklage oder richterlichen Beschluss zu verhängen.

„Gesetze haben die Aktionen der Tierschützer in der Vergangenheit nicht verhindert und werden das künftig auch nicht tun“, sagte Greg Avery von der Organisation Stop Huntingdon Animal Cruelty. Auf das umstrittene Versuchslabor Huntingdon Life Sciences und seine Zulieferfirmen wurden im vorigen Jahr mehr als 100 Angriffe verübt. Im schwersten Fall schlugen drei Maskierte den Geschäftsführer Brian Cass mit Baseballschlägern zusammen.

Die Meerschweinchenfarm von Chris Hall in Staffordshire wurde im Jahr 2004 sogar 450 Mal attackiert. Neben Brandstiftung und Bombenwarnungen erhielt Hall regelmäßig Drohbriefe und nächtliche Anrufe, er wurde in einer Plakatkampagne als Kinderschänder verleumdet, seine 67-jährige Putzfrau und deren Söhne wurden so lange terrorisiert, bis die Frau den Job aufgab. Und vor kurzem buddelten die Tierschützer den Sarg von Halls Schwiegermutter aus – und stahlen den Leichnam.

RALF SOTSCHECK