Crichton in Angst

Ein geheimnisvoller Supercode: Heute erscheint Dan Browns Debütroman „Diabolus“ erstmals auf Deutsch

Als der deutsche Random-House-Verlagsleiter Klaus Eck vor kurzem in Berlin seinen Erfolgsautor Michael Crichton und dessen Buch „Welt in Angst“ vorstellte, war er sich sicher, dass Crichtons Ökothriller nach seinem Einstieg auf Platz sechs der Spiegel-Bestsellerliste diese bald auch anführen würde. Allerdings hatte Eck die Rechnung ohne Dan Brown gemacht. Seit einem Jahr steht Browns Mystery-Thriller „Sakrileg“ in der Bestsellerliste, belegt dort meistens die Pole-Position und verkaufte sich hierzulande schon über eine Million Mal, weltweit ist die Rede von fast zwanzig Millionen verkaufter Exemplare.

Nun gibt es das nächste Problem für alle Crichtons, Grishams und Kings: Heute erscheint Browns neuer Roman „Diabolus“ auf Deutsch, und allein durch die Vorbestellungen ist er seit Wochen schon ein Verkaufsrenner bei Amazon. Allerdings ist „Diabolus“ ein alter Brown, sein in den USA nur mäßig erfolgreiches Debüt „Digital Fortress“ von 1998. „Diabolus“ führt sein Publikum nicht in die Welt der katholischen Glaubenskrieger und Tempelritter, sondern mitten ins digitale Zeitalter. Genauer: In die Zentrale der National Security Agency (NSA), wo ein geheimer Superrechner steht, der jede noch so kunstvoll verschlüsselte Botschaft im weltweiten Web knackt, um so die USA vor Terroristen und Verbrechern aller Art zu schützen. „Diabolus“ erzählt, wie nun doch ein Code auftaucht, gegen den der Rechner der NSA machtlos ist, von NSA-Mitarbeitern aber für eigene Zwecke gebraucht wird. So sieht sich die tapfere NSA-Kryptografin Susan Fletcher einigen Intrigen ausgesetzt, während ihr Lover, der Sprachwissenschaftler David Becker, in Sevilla den Schlüssel zum „ultimativen Code“ sucht.

Enthält „Diabolus“ eher eine Brown-untypische Thematik, so kann man mit ihm doch gut in Browns Werkstatt schauen und seinen Werdegang zum Erfolgsautor studieren: Ohne überflüssige Worte zu machen, erzählt Brown präzise seine Geschichte über Hacker und Kryptografen und zieht dabei auch einen Bogen von Caesars antikem Proto-Code bis zu den Computerexperten von heute: Geheimniskrämer gab es eben zu allen Zeiten. Und geschickt suggeriert Brown Schnelligkeit, in dem er Kapitel für Kapitel den Schauplatz wechselt, wobei diese oft nur zwei oder drei Seiten dauern.

Trotzdem hat das alles seine Längen, gerade im Fall der NSA, was zu dem starken Eindruck führt, dass sich die Geschichte trotz aller vorgegaukelten Hochgeschwindigkeit nicht vom Fleck bewegt. Und dort, wo sie heftigst vorangetrieben wird, in Sevilla, ist sie durchsichtig, redundant und mechanisch: Jedes Mal, wenn Becker kurz davor ist, einen Ring zu bekommen, der für die Entschlüsselung von Diabolus von großer Bedeutung ist, erfährt er, dass dieser in andere Hände gelangt ist.

Interessanter ist, und das wiegt manche Langatmigkeit auf, dass Brown geschickt und gewissermaßen unschuldig mit Gut-Böse-Indifferenzen spielt: Der Diabolus-Erfinder will zeigen, quis custodiet ipsos custodes, dass auch die Wächter bewacht werden müssen, die NSA-Leute; und diese, obwohl nur das Beste für ihr Land im Sinn, sind doch nur eine Idee von faschistischen Allmachtsfantasien entfernt. Mit dem 11. 9. und den Folgen, gerade im Hinblick auf die Bush-Regierung und die innere Sicherheit der USA, hat Browns Debüt eine Aktualität bekommen, die seine auf Mystery und Mittelalter abonnierten Fans etwas stutzen lassen dürfte – und vielleicht auch einem Michael Crichton: Welt in Angst, das geht auch anders. GERRIT BARTELS

Dan Brown: „Diabolus“. Aus dem Amerikanischen von Peter A. Schmidt, Gustav Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach 2005, 524 Seiten, 19,90 €