Der Fernsehschreck

Mit Berlusconi als Negativbeispiel wirbt das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Schweden für sich und seine Unabhängigkeit. In Italien laufen nun sowohl Regierung als auch Opposition dagegen Sturm

AUS STOCKHOLM REINHARD WOLFF

Ein lächelnder und winkender Silvio Berlusconi. Und das nicht nur von einem, sondern gleich von einem Dutzend Fernsehschirmen. Und auch noch mehrmals täglich auf beiden Kanälen des öffentlich-rechtlichen schwedischen Fernsehens SVT („Sveriges Television“). Werbung, die der italienische Ministerpräsident allerdings gar nicht schätzt. Am Donnerstagabend wurde Schwedens Rom-Botschafter Staffan Wrigstad ins Außenministerium zitiert, um ganz offiziell die „Besorgnis“ der italienischen Regierung über diesen Werbespot entgegenzunehmen.

Einen ähnlichen Protest lieferte Italiens Stockholm-Botschafter am gleichen Abend vorsichtshalber auch noch im schwedischen Außenministerium ab. Grund der Aufregung ist ein Schriftzug, der sich Satz für Satz durch den frohen Spot schlängelt: „Silvio Berlusconi kontrolliert 90 Prozent der nationalen TV-Kanäle Italiens. 2001 wurde er nach einer massiven TV-Kampagne Ministerpräsident. Wenig später entschied ein Gericht, dass er einige seiner Kanäle verkaufen solle. Da wurde das Gesetz geändert.“ Das Ganze endet mit dem Schriftzug: SVT – Fri Television, „freies Fernsehen“. Eine Kampagne des Senders in eigener Sache. Damit die SchwedInnen nicht vergessen, was sie – dies natürlich unterstellt – an ihrem öffentlich-rechtlichen Fernsehen haben. Und dass es auch ganz anders gehe.

Gleich mehrere Spots zeigen die Negativbeispiele, von denen man sich abgrenzen möchte. Neben dem Berlusconi-Trailer gibt es einen ähnlichen zu Putin, dessen Einfluss auf die russische TV-Landschaft und den Wahlsieg, den er damit eingefahren habe. Keine Woche wurde die Kampagne alt, bis die Geschichte aufgrund eines Artikels in der Donnerstagausgabe des Corriera della Sera hoch kochte. Sogleich ließ sich der italienische Kommunikationsministers Maurizio Gasparri dazu hinreißen, die Affäre im Stockholmer Boulevardblatt Aftonbladet als ein „Kompott aus Unwahrheit“ zu bezeichnen und zu bedauern, nur deshalb keine stärkeren Worte gebrauchen zu können, um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden. Selbst der zur Linksopposition gehörende Senator Franco De Benedetti sprach der SVT-Korrespondentin in Rom am Freitag Sätze massiver Kritik ins Mikrofon: Natürlich sei die Medienmacht Berlusconis ein Problem, „doch das ist unsere Sache“.

Bei SVT freut man sich offen über die italienische Reaktion. „Wir wollten eine Kampagne, die provoziert, und das haben wir wohl erreicht“, ist Informationschefin Helga Baagøe zufrieden: „Natürlich wollen wir uns nicht in italienische Angelegenheiten einmischen. Wir reden nur vom Fernsehen und nehmen als Vergleich deren Version von Public Service, die unter dem politischen Druck zusammengebrochen ist, um zu zeigen, dass es bei uns freier und besser ist.“ Nun ist natürlich auch SVT nicht ganz so frei von politischem Druck. Ähnlich wie bei ARD und ZDF gibt es ein Aufsichtsgremium, über dessen Zusammensetzung die politischen Parteien mitbestimmen. Und natürlich denkt die jeweilige politische Mehrheit dabei auch an den eigenen Vorteil. Trotzdem hält SVT an den Spots fest: „Ja, die Kampagne geht planmäßig weiter“, versichert SVT-Informationschefin Baagøe. Russlands Wladimir Putin hatte sich im Gegensatz zu Berlusconi bis Sonntag noch nicht in Stockholm beschwert.