schleswig-holstein
: Vereinfacht aufTeufel komm raus

Wenn binnen weniger Tage die Stimmung kippt, dann muss das einen aktuellen Grund haben – es sei denn, die Meinungsforscher hätten vorher versagt. Haben sie aber nicht. Die Demoskopen beobachteten, wie inzwischen bekannt ist, den Klimasturz in Schleswig-Holstein. Sie wussten bereits am Samstag ziemlich genau, wie die Wahl ausgehen würde. Das aktuelle Thema, das derzeit die innenpolitische Debatte beherrscht, ist die so genannte Visa-Affäre. Es spricht daher vieles dafür, dass sie das Ergebnis wesentlich beeinflusst hat.

KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Allerdings auf verschlungenen Pfaden. Nicht die Partei, die im Mittelpunkt der Angriffe steht, musste die Zeche zahlen, sondern ihr Koalitionspartner. Bei näherem Hinsehen ist das wenig überraschend. Das sozialdemokratische Milieu reagiert auf – real oder angeblich – laxe Ausländerpolitik traditionell empfindlich, im Unterschied zur grünen Klientel. Gut möglich, dass die Visapraxis ein Fass zum Überlaufen brachte, das bereits mit Schuldenstand und Arbeitslosigkeit gefüllt worden war.

Das bedeutet den Sieg der Demagogie über die Aufklärung. Nicht etwa deshalb, weil die Vorwürfe im Zusammenhang mit der Visapolitik gegenstandslos wären – sondern weil sich genau das bisher nicht beurteilen lässt. Die Unübersichtlichkeit der verschiedenen Regelungen und die Fülle einander widersprechender Daten rechtfertigen, ja erzwingen eine genaue Untersuchung, ermöglichen aber eben noch keine seriöse abschließende Bewertung.

So genau wollten es manche Leute in Schleswig-Holstein jedoch offenbar gar nicht wissen. Politikerinnen und Politiker haben sich das selbst zuzuschreiben. Über Parteigrenzen hinweg hat sich schleichend die Ansicht verfestigt, die meisten Themen seien viel zu komplex, um in ihren Feinheiten von der Bevölkerung verstanden zu werden. Die Folge: Es wird vereinfacht auf Teufel komm raus – bis hin zur Verfälschung politischer Zusammenhänge. Ob es nun um Steuerfragen, um Gesundheitspolitik oder um die Begründung von Militäreinsätzen geht.

Eine Zeit lang kann das gut gehen. Aber irgendwann merkt ein Wahlvolk, wenn es nicht ernst genommen wird. Und glaubt dann nur noch das, was der jeweiligen persönlichen Stimmungslage gerade entspricht, ohne Rücksicht auf die Fakten. Für Propagandisten sind das goldene Voraussetzungen, für Demokraten nicht – egal welcher Partei sie angehören.