Funkstille im Radio

Das gab es noch nie: Gestern wurde in der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt Radio Bremen gestreikt

Bremen taz ■ Stille kann entspannend sein. Aber was, wenn der Radiowecker still bleibt – wie gestern zwischen 5.15 und 7.15 Uhr in den Haushalten, die sich auf die Wellen Radio Bremen Eins und Nordwest-Radio verlassen. Um so wacher wurden die Bremen-Eins-Hörer vermutlich kurz nach 7.15 Uhr, denn ab diesem Zeitpunkt gab es für sie die „Morningshow“ von Bremen Vier auf die Ohren – eine so genannte „Havarieschaltung“ des öffentlich rechtlichen Radiosenders.

Mitnichten gab es im Sender eine Havarie zu beklagen, es sei denn aus Sicht der Geschäftsführung: Erstmals in der Geschichte von Radio Bremen legte ein Teil der Belegschaft für einige Stunden die Arbeit nieder. Zu diesem Warnstreik hatten der Gewerkschaftsverband Verdi, der Deutsche Journalisten Verband (DJV) und die Mediengewerkschaft Vereinigung der Rundfunk-, Film- und Fernsehschaffenden (VRFF) aufgerufen. Der Grund: Die aktuellen Tarifverhandlungen, die bei Radio Bremen seit Februar 2004 laufen und heute fortgesetzt werden. Seit einem Jahr gibt es keinen Tarifvertrag. Der Vorwurf der Gewerkschaften: Die Arbeitgeberseite versuche mit immer neuen Forderungen, den Abschluss hinauszuzögern. Unter anderem geht es um die geplante Ausgliederung von etwa 120 bis 150 Technik-KollegInnen aus der Hörfunk- und Fernsehproduktion. Sie sollen nach Plänen der Intendanz in eine Tochtergesellschaft, eine gemeinsame Produktionsgesellschaft mit der Bavaria, integriert werden. Die Befürchtung: Die ausgegliederten MitarbeiterInnen würden nicht mehr die gleichen Rechte haben betreffs Kündigungsschutz oder Altersvorsorge. Die Gewerkschaften fordern deshalb Bestandsschutz. „Eine Spaltung der Belegschaft werden wir nicht akzeptieren“, verkündete Rainer Wisweh vom VRFF.

Knapp über hundert TechnikerInnen, RedakteurInnen und ModeratorInnen standen gestern vorm Sendehaus in der Vahr. „Ein Sender, eine Belegschaft“ – so stand es auf dem Button, den sich die Streikenden an die Brust gepappt hatten. Eine Aussage, die nicht ganz stimmte, denn immerhin gibt es 460 MitarbeiterInnen im Sender. So einig sei sich die Belegschaft nämlich gar nicht, sagen Insider. Etwas Besseres als gemeinsame Sache mit der Bavaria-Gruppe, der Größten der Öffentlich-Rechtlichen, könne finanziell Darbenden nicht passieren – darüber sind sich manche Beschäftigte mit der Intendanz durchaus einig. Man sei den Hörern als Programmbetrieb verpflichtet. Gewerkschaften und Personalrat sträubten sich stattdessen gegen notwendige Umstrukturierung und Flexibilisierung.

Die „Jugendwelle“ Bremen Vier fuhr ihre Sendungen wie gewohnt. Dafür gab es von den streikenden KollegInnen einige Sticheleien zu hören: „Diese Jungen, die haben doch tatsächlich gefragt, ob der Streik beim Intendanten angemeldet sei.“ Allerdings beschwichtigte Monika Grüning vom Personalrat: „Dort arbeiten zu 80 Prozent freie Mitarbeiter.“

Der Warnstreik soll Bewegung in die heutigen Tarifverhandlungen bringen. „Wenn das nicht wirkt“, sagt Monika Grüning, „dann machen wir weiter. Es gibt ja noch einen Fernsehstandort.“ Intendant Heinz Glässgen hält den Streik für „unverantwortlich“. Zudem, so Glässgen weiter, habe er längst Zusagen zum Leistungserhalt für die perspektivisch ausgegliederten MitarbeiterInnen gemacht. dab