Zu viel Geld, zu viel Konfusion

AUS MATARA BERNARD IMHASLY

Die Luft im Konferenzsaal ist stickig und heiß. Etwa fünfzig Vertreter von Hilfsorganisationen sitzen in engen Stuhlreihen im Büro des „Government Agent“, des Vertreters der srilankischen Regierung in der Provinz Matara. Sie reichen Kaffeetassen weiter und füllen Anwesenheitslisten aus, während sie gleichzeitig versuchen, der Diskussion in Sinhala und gebrochenem Englisch zu folgen.

Dies hier ist die allwöchentliche Koordinationssitzung. Sie soll über die Arbeit im Tsunami-Gebiet Süd-Sri-Lankas informieren, Transparenz herstellen, unnötige Doppelstrukturen vermeiden helfen und Entscheidungen der Verwaltung beschleunigen. Doch niemand weiß, wie viele NGOs von diesem Termin überhaupt wissen.

Für die großen Hilfsorganisationen ist das Treffen ohnehin eher eine Gelegenheit, sich separat im kleinen Kreis zu treffen. Denn der Government Agent schweigt, während der ihm zugeordnete Beamte aus Colombo klarstellt, dass Entscheidungen ohnehin nur in der Hauptstadt gefällt werden. Derweil hört der Vertreter der slowakischen NGO „Gefährdete Menschen“ verwirrt zu, bevor er wieder in „sein“ Flüchtlingscamp am Stadtrand zurückkehrt.

Die Lage ist, könnte man in Anspielung auf ein Wiener Bonmot sagen, verzweifelt, aber nicht ernst. Oder wie es Peter Schmid, der Vertreter der Schweizer Entwicklungsorganisation DEZA, formuliert: „Zu viele NGOs, zu viel Geld, zu viel Konfusion. Aber das ist normal.“

Die erste und zweite Phase der Hilfe nach der Flutwelle vom 26. Dezember ist abgeschlossen. Rund eine Million Menschen leben an den Küsten der Inselregion, die vom Tsunami erfasst wurde. Viele haben Angehörige verloren, Hab und Gut wurden weggespült. Die Überlebenden haben fürs Erste ein Zelt erhalten oder sind bei Bekannten untergekommen, sie werden medizinisch versorgt und haben genug zu essen. Jeder erhält eine bescheidene staatliche Monatsrente und Lebensmittel.

Nun aber muss die dritte Phase beginnen: der Wiederaufbau. Solch ein Projekt aber verlangt naturgemäß nach langfristiger Planung und Koordination. Die meisten NGOs, die mit gefüllten Taschen aus aller Welt angeflogen kamen, waren nützlich, solange es darum ging, erste Hilfe zu leisten und Hilfsgüter zu verteilen. Nun – ohne Landeserfahrung und oft ohne lokale Partner – sind sie logistisch überfordert, wenn es darum geht, Starthilfe für den wirtschaftlichen Wiederaufbau zu leisten, einen Hausbau zu finanzieren oder Trauma-Beratung anzubieten.

Unmut über die Ausländer

Mit diesem Problem sind sie nicht allein – auch die Mitarbeiter großer internationaler Hilfsorganisationen sind nervös. Solange es ums unmittelbare Überleben ging, war ihre humanitäre Legitimation so klar, dass sie frei schalten und walten konnten. Doch nun meldet sich die Politik mit Macht zurück. Die vielen kleinen Helfer werden noch in Ruhe gelassen – aus Dankbarkeit und weil sie mit bescheidenen Mitteln und persönlichem Einsatz tagtäglich in der brennenden Sonne stehen. Über die Großen hört man schon erste unwirsche Äußerungen: über ihre teuren Autos und das locker sitzende Geld, mit dem sie auf den lokalen Märkten die Preise für Alltagsgüter hochgetrieben haben, als sie auf Einkaufstour für die Flüchtlingscamps gingen. Politiker nutzen solche Ressentiments natürlich, um sich – den Begriff „nationale Souveränität“ im Munde führend und mit dem Gütezeichen des gewählten Volksvertreters – in den Wiederaufbauprozess einzufädeln.

Spürbar wird das vor allem in Colombo. Dort ist die Nationale Einsatzzentrale aufgelöst worden, und neben der nun agierenden Task Force für den Wiederaufbau (TAFREN) melden sich nun die Fachministerien zu Wort: die Minister, die für bestimmte Regionen zuständig sind, die Abgeordneten und zu guter Letzt die politischen Parteien.

Dies gilt besonders bei der zentralen Frage des Wiederaufbaus der Wohnhäuser. Der Tsunami hat 150.000 Häuser ganz oder teilweise zerstört. Eine Studie von Weltbank, Asiatischer Entwicklungsbank und Japan hat den weitaus größten Investitionsbedarf, knapp ein Drittel von insgesamt 1,5 Milliarden Dollar, im Wohnungsbausektor ausgemacht. Und da stellen sich Fragen: Wie sollen die Baunormen aussehen? Soll jede betroffene Familie ein gleich großes Haus erhalten oder eines entsprechend der Größe des verlorenen Besitzes? Wer entscheidet darüber?

Die srilankische Wohlfahrtsorganisation Sarvodaya plant zum Beispiel, zusammen mit der Schweizer Zementfirma Holcim Häuser mit einer Wohnfläche von 45 Quadratmetern zu bauen. Präsidentin Kumaratunga aber spricht von einer „menschenwürdigen Minimalnorm“ von 80 Quadratmetern. In Hikkaduwa an der Westküste Sri Lankas hat ein Minister begonnen, fünfzig Häuser mit je 65 Quadratmetern zu bauen, und die Türkei hat dem Wahlkreis des Premierministers eine Siedlung mit 200 Häusern von je 100 Quadratmetern Nutzfläche geschenkt.

Nun hat auch noch die Regierung zur Konfusion beigetragen, indem sie an der Westküste Bau- und Reparaturmaßnahmen erst ab 100 Meter Entfernung vom Strand gestattet. Im Norden und Osten beträgt der Sicherheitsabstand sogar 200 Meter.

Die Investitionen sind enorm

Bei der staatlichen TAFREN weiß man nur, dass es noch einige Zeit dauern wird, bis die grundsätzlichen Entscheidungen gefällt sind und der Prozess richtig in Gang kommt. Zuständig wird die Urban Development Authority sein. Sie wird Land kaufen und für Geber bereitstellen, die dann dort Häuser errichten können, wie es ihnen beliebt, sagt Kishan Sugathapala, der TAFREN-Direktor.

Die Investitionen werden enorm sein. Allein der von Sugathapala geschätzte Baupreis von 100 Dollar pro Quadratmeter ergäbe einen Betrag von 1,25 Milliarden Dollar. Diese Kosten werden den Prozess verlangsamen. Denn Landerwerb, sagt Sugathapala, „ist in Sri Lanka ein langwieriger Prozess“. Hilfsorganisationen könnten die Wartezeit nutzen, um Handwerker auszubilden. Die Schweizer Zementfirma Holcim, deren Werbeflächen den Reisenden auf seiner Fahrt durch den Bauschutt in den Süden begleiten, plant – zusammen mit Baufirmen und dem Erziehungsministerium – Ausbildungsgänge für je 850 Maurer, Zimmerleute, Elektriker und Klempner.

Beschäftigen die Probleme beim Wiederaufbau auch die Betroffenen? In den hunderten von Camps – manchmal nur vereinzelte Zelte zwischen den Häuserruinen, meist jedoch regelrechte Zeltdörfer – verbringen immer noch erstaunlich viele Menschen ihren Tag damit, in den Trümmern herumzustehen. Selbst die Männer weigern sich – oder sind nicht in der Lage –, bei den Aufräumarbeiten mitzumachen. Sie schauen den von NGOs bezahlten jungen Helfern zu, als würde jedes Stochern im Geröll ihre noch nicht verheilten Wunden wieder aufreißen. Selbst die wenigen, die bereits ein Haus bekommen haben, fühlen sich noch nicht zu Hause.

Chandran, eine 50-jährige Frau, steht hilflos in ihrem neuen Häuschen, das Holcim ihr in Galle an der Südspitze Sri Lankas gebaut hat. Statt an Küchenutensilien und Möbel denkt sie an ihre Tochter, die vor zwei Monaten vor ihren Augen den Tod fand.

Doch bei vielen erwächst aus der Trauer auch neuer Lebenswillen. Die Bäckerin Lalani Renuka aus Hikkaduwa etwa hat ebenfalls ihre Tochter verloren, das Kind war drei Jahre alt. Renuka stellt klar, dass sie nur ein Haus haben will, in dem sie im Fall eines neuen Tsunami aufs Dach klettern könnte. Warum? Sie weist auf das Zementgerüst mit dem Wasserbehälter obendrauf, dem einzigen Überrest ihrer Bäckerei.

Womöglich war das der Grund, warum sie sich nicht gemeldet hat, als Handelsminister Fernandopoulo in ihrem Dorf fünfzig kleine Flachhäuser bauen ließ. Oder hatte sich bei ihr der soziale Stolz gemeldet, der sich nicht mit einem so winzigen Heim begnügen wollte? Beides wären Zeichen dafür, dass die Tsunami-Opfer allmählich wieder Fuß fassen, auch wenn ihre Heimat noch von Trümmern übersät ist.