Kanada gibt deutschen Nazi zurück

Nach Jahrzehnten juristischer Gefechte erfüllt sich für Kanadas Justiz ein Wunsch: Der prominente deutsche Holocaust-Leugner Ernst Zündel soll in seine Heimat abgeschoben werden. Die Mannheimer Justiz erwartet den Neonazi-Senior mit Haftbefehl

VON ASTRID GEISLER

Die Justiz in Mannheim blickt dieser Tage mit besonderem Interesse auf Flüge aus Kanada. In einer der nächsten Maschinen soll ein prominenter Reisender sitzen, einer, den Ermittler schon seit Jahren gerne mit Handschellen begrüßen würden: Ernst Zündel, 65 Jahre, notorischer Holocaust-Leugner mit deutschem Pass. Nach jahrzehntelangen juristischen Auseinandersetzungen ordnete ein Bundesgericht in Ottawa vergangene Woche an, den Rechtsextremisten nach Deutschland auszufliegen. Zündel will laut seinem kanadischen Anwalt keine Rechtsmittel mehr gegen die Abschiebung einlegen.

Deutschland hat zwar keinen Auslieferungsantrag für Zündel gestellt, wie das Berliner Justizministerium gestern mitteilte. Allerdings gibt es seit Jahren einen Haftbefehl der Mannheimer Justiz gegen Zündel wegen Volksverhetzung. Wann der Rechtsextremist in Deutschland landen wird, sei den Ermittlungsbehörden nicht bekannt, sagte eine Sprecherin der Mannheimer Staatsanwaltschaft gestern der taz. Fest stehe aber: Zündel wandert hinter Gitter, sobald er deutschen Boden erreicht. Es spreche zudem „einiges dafür“, dass ihm in Mannheim auch der Prozess gemacht werde.

Laut Medienberichten könnte Zündel schon heute in Deutschland landen. Das Bundeskriminalamt soll Kanada zugesichert haben, ihn im Fall seiner Auslieferung in Gewahrsam zu nehmen. Überdies wolle Deutschland die Kosten für die Heimreise übernehmen.

Die kanadische Justiz wird heilfroh sein, Zündel nach mehr als 40 Jahren endlich loszuwerden. Der Deutsche, 1939 in der Schwarzwald-Ortschaft Calbach geboren, war 1958 mit nur 19 Jahren nach Kanada ausgewandert, angeblich, um dem Wehrdienst zu entgehen. Von Kanada aus machte er sich über die Jahre weltweit einen Namen als Neonazi-Propagandist und Geschichtsfälscher. Zündel begann als Übersetzer von Broschüren wie „Die Auschwitz-Lüge“, gründete später den Verlag Samisdat, der Schriften wie „Hitler, wie wir ihn liebten und warum“ oder „Starben wirklich sechs Millionen?“ in alle Welt exportierte. Zündel pflegte internationale Kontakte zu Szenegrößen wie dem britischen Holocaust-Leugner David Irving. Seit 1995 gehört die von Zündel initiierte „Zundelsite“ zu den prominenten Plattformen für Neonazi-Propaganda in Internet.

Dank seines Wohnsitzes in Kanada war Zündel für die deutsche Justiz über Jahre unerreichbar. Zwar bemühten sich kanadische Gerichte wiederholt um eine Verurteilung und Abschiebung Zündels – wegen der anderen Rechtslage jenseits des Atlantiks jedoch lange Jahre vergeblich. Dass ihm nach Jahrzehnten nun doch noch eine Strafverfolgung in seiner deutschen Heimat blüht, ist der Findigkeit einiger kanadischer Juristen zu verdanken – und Zündels eigener Dreistigkeit: Der Neonazi war 2000 von Kanada in die USA umgezogen, nachdem ein kanadisches Gericht seine Website für verfassungswidrig erklärt hatte. Dort wurde er im Februar 2003 wegen Verstoßes gegen die Einwanderungsbestimmungen festgenommen und nach Kanada zurückgeschickt. Zündel beantragte daraufhin seine Anerkennung als Flüchtling – vergebens. Stattdessen stufte der kanadische Bundesrichter Pierre Blais den Deutschen nach zweijähriger Abschiebehaft nicht nur als „Rassisten“ ein, sondern erklärte seine Aktivitäten zur Gefahr für die „nationale Sicherheit Kanadas“ sowie für die „internationale Gemeinschaft“.

Nun könnten bald deutsche Richter das Vergnügen mit dem rechtsextremen Reimport haben. Die Erfahrung verheißt nichts Gutes: Zündel hat Gerichtsverfahren gerne für seine Propaganda missbraucht.