Kinder sind uns einen Dreck wert

UN-Studie zeigt: In Deutschland steigt die Kinderarmut stärker als anderswo. Besserung ist nicht in Sicht: 5,2 Millionen Menschen sind arbeitslos. Clement kündigt Maßnahmenpaket an

BERLIN taz ■ In Deutschland wächst die Kinderarmut stärker als in den meisten anderen Industriestaaten. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie, die das UN-Kinderhilfswerk Unicef gestern veröffentlichte. Jedes zehnte Kind lebt hier in Armut. Zwischen 1990 und 2001 nahm die Zahl der armen Kinder und Jugendlichen um 2,7 Prozent zu – obwohl die Sozialausgaben sogar stiegen. Aber diese Mittel fließen vor allem in die Rente und in das Gesundheitssystem. Gleichzeitig macht sich bemerkbar, dass die Löhne in Deutschland sinken: Die arbeitenden Väter in Westdeutschland nahmen im unteren Einkommenszehntel Lohneinbußen von 22 Prozent hin.

Parallel gab gestern die Bundesagentur für Arbeit die Arbeitslosenquote für Februar bekannt: Sie stieg von 12,1 auf 12,6 Prozent. Insgesamt waren 5.216.000 Menschen ohne Job, 177.000 mehr als noch im Januar. Davon dürften jedoch nur maximal 20.000 ihre Arbeit aufgrund der schwachen Konjunktur verloren haben – der restliche Anstieg erklärt sich durch den kalten Winter und die statistischen Effekte der Hartz-Reformen. So kamen etwa 126.000 weitere erwerbsfähige Sozialhilfe-Empfänger hinzu, die bisher nicht arbeitslos gemeldet waren.

Erstmals erstellte das Statistische Bundesamt eine Erwerbslosenstatistik, die sich nach dem internationalen ILO-Verfahren richtet. Bisher liegen nur die Zahlen für Januar vor. Die Statistiker zählten damals nur knapp 4 Millionen Erwerbslose – die Bundesagentur hatte mehr als 5 Millionen Arbeitslose gezählt. Diese Differenz erklärt sich durch unterschiedliche Erhebungsmethoden. Dennoch alarmieren die ILO-Zahlen, denn sie weisen eine Jugendarbeitslosigkeit von 15,5 Prozent aus.

Kein Wunder also, dass Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) gestern noch einmal hervorhob, dass mit den Hartz-Reformen gerade auch die Jugendarbeitslosigkeit bekämpft werde. Der Vorstand der Bundesagentur für Arbeit soll heute ein „Sofortprogramm“ für Jugendliche absegnen, womit die Betreuung verdichtet und garantiert wird, dass jeder unter 25 Jahren ein Angebot bekommt. Clement wies zurück, dass die SPD-Spitze eine Extra-Investition von 2 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit plane: „An diesem Punkt mangelt es nirgendwo an Geld. Die Instrumente sind da, sie müssen genutzt werden“, sagte er.

Erstmalig äußerte sich mit Clement gestern ein Regierungsmitglied dazu, ob Rot-Grün noch einmal ein Maßnahmenpaket präsentieren wird, mit dem die Wirtschaft angekurbelt werden soll. Um alle Kräfte für „Wachstum, Innovation und Beschäftigung zu bündeln“, gebe es noch „an etlichen Stellen Veränderungsmöglichkeiten“, sagte Clement. Was darunter zu verstehen sei, „dazu wird sich die Bundesregierung in überschaubarer Zeit äußern“. Eine Senkung der Unternehmenssteuern sei nicht dabei. UH, UWI

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