Illegale sind keine Kriminellen

Das Manifest einer katholischen Initiative will den Diskurs über illegale Einwanderung realistischer und menschlicher machen. Mehr als 370 Prominente haben unterzeichnet. Heute wird das Papier auf der „Jahrestagung Illegalität“ in Berlin vorgestellt

VON PHILIPP DUDEK

Maria kommt aus Rumänien. Vor zwölf Jahren ist sie mit einem Touristenvisum nach Berlin gekommen. Damals war Maria zwanzig, hatte ihre Ausbildung zur Vermessungstechnikerin abgeschlossen und träumte von einem besseren Leben in Deutschland. Das Visum ist lange ausgelaufen. Maria ist immer noch hier und arbeitet als Altenpflegerin. Seit zwölf Jahren lebt sie mit der Angst, entdeckt zu werden – ohne Papiere, ohne Krankenversicherung und ohne Familie.

Marias Geschichte, aufgeschrieben vom evangelischen Missionswerk in Deutschland, ist auch die Geschichte von vielen hunderttausend anderen illegalen Einwanderern. Zwischen 500.000 und einer Million Menschen leben ohne Aufenthaltsrecht in Deutschland, schätzt das katholische Forum „Leben in der Illegalität“. Zusammen mit dem Rat für Migration fordert die Initiative jetzt in einem Manifest eine offene Diskussion über illegale Zuwanderung. „Wir wollen den Diskurs, der bisher nur im Verborgenen stattgefunden hat, in die Öffentlichkeit bringen“, sagte der Jesuitenpriester Jörg Alt, Geschäftsführer des katholischen Forums, zur taz.

In dem Papier, das heute auf der Jahrestagung Illegalität in Berlin veröffentlicht wird, wird darauf hingewiesen, dass illegale Einwanderung trotz des neuen Zuwanderungsgesetzes ein ungelöstes Problem bleibt. Der Text wurde von dem Vorsitzenden der Migrationskommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz und des Katholischen Forums, Weihbischof Josef Voß, unterzeichnet. Mehr als 370 Prominente haben sich dem Bischof bereits angeschlossen.

Mit ihrem Manifest will die Initiative die medizinische Grundversorgung der illegalen Migranten und den Schutz vor Ausbeutung der mitbetroffenen Kinder stärken. Außerdem wollen die Initiatoren darauf aufmerksam machen, dass ordnungsrechtliche Schritte gegen illegale Zuwanderung nicht ausreichen. „Die Beschneidung legaler Zuwanderung verstärkt illegale Migration“, sagte Alt. Der Priester folgt damit dem Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration, der in seinem Jahresgutachten 2004 darauf hinweist, dass „das Offenhalten legaler Zuwanderungswege einen entscheidenden Beitrag zur Verringerung illegaler Zuwanderung darstellt.“ Wirksamste Maßnahme gegen illegale Migration sei die Bekämpfung ihrer Ursachen in den Herkunftsländern, sagte Alt.

Mit ihrer Forderung nach einem offenen Diskurs wollen die Initiatoren auch erreichen, dass illegale Migranten nicht automatisch mit Kriminellen gleichgesetzt werden. Es müssten differenzierte Lösungen angestrebt werden, die den Lebensumständen der Einwanderer gerecht werden. „Ein illegal eingereister Arbeiter kann schließlich nichts dafür, dass seine Arbeit nach deutschem Recht illegal ist“, sagte Alt. „Wir wollen uns gegen Pauschalforderungen stellen. Alle Illegalen raus oder alle Illegalen rein, das kann es nicht geben“, sagte der Priester. Man müsse innerhalb der deutschen Realität nach Ansätzen suchen, illegalen Migranten Hilfe und Unterstützung anzubieten.

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