Schattenboxen um Frauenrechte

Das große Ziel ist erreicht: Die UN-Frauenrechtskommission verabschiedet eine Erklärung zur Bestätigung von Frauenrechten. Dennoch erweisen sich die konservativen Rückschritte in den USA für eine zeitgemäße Umsetzung zunehmend als Hindernis

AUS NEW YORK CHRISTA WICHTERICH

Unter großem Beifall verabschiedete die UN-Frauenrechtskommission am vergangenen Freitagabend in New York eine Erklärung, die die Aktionsplattform der 4. Weltfrauenkonferenz von 1995 ohne Abstriche bestätigt und die Regierungen zu vollständiger Umsetzung auffordert. Damit hat die Peking+10-Sitzung ihr oberstes Ziel erreicht.

Eine Woche lang hing die Drohung der USA, den 1995 in Peking von 189 Regierungen formulierten Konsens aufzukündigen, als Damoklesschwert über der Sitzung. Während die Regierungen ihre Bilanzen von zehn Jahren Gleichstellungspolitik vortrugen, fand hinter den Kulissen ein Schattenboxen nicht nur um den Text von Peking statt. Die USA wollten der Deklaration nur mit dem Zusatz zustimmen, dass die Aktionsplattform keine „neuen Menschenrechte“, vor allem aber kein „Recht auf Abtreibung“ beinhaltet. Das unilaterale Vorgehen der USA, die zu den wenigen Ländern gehören, die weder die UN-Frauenrechts- noch die -Kinderrechtskonvention unterzeichnet haben, ist auch ein Affront gegen das Prinzip des Multilateralismus der Vereinten Nationen.

Erfolglos hatten die USA auf diplomatischem Wege versucht, lateinamerikanische und muslimische Staaten für ihre Position zu gewinnen. Die Europäische Union bezog wortführend eine progressive Gegenposition gegen den neokonservativen Rollback.

Mit ihrer Zustimmung zur Deklaration machen die USA jedoch keine Abstriche von ihrer Position. Die Vertreterin der US-Regierung, Ellen Sauerbrey, betonte, dass die Aktionsplattform von Peking nicht rechtsverbindlich ist, dass die USA zur Bekämpfung von HIV/AIDS vor allem sexuelle Abstinenz und eheliche Treue propagieren und ein Recht auf Abtreibung ebenso ablehnen wie Quoten zur Frauenförderung und gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. Frauen und Männer sollen in der Politik und Wirtschaft „auf dem gleichen Spielfeld“ konkurrieren. Der Frauenanteil im US-Kongress hinkt allerdings mit 14,2 Prozent hinter dem Weltdurchschnitt von 15,2 Prozent Frauenpartizipation in Parlamenten hinterher.

Bei der Auswertung von zehn Jahren Umsetzung von Frauenrechten feierte die Direktorin des UN-Frauenfonds Unifem, Noeleen Heyzer, Fortschritte in der Gesetzgebung zu Gewalt gegen Frauen und Diskriminierung. Aber „die Fortschritte sind zu langsam. Armut, HIV/AIDS und Menschenhandel haben noch immer ein weibliches Gesicht“, fügte sie hinzu.

Der globale Bilanzbericht des Frauennetzwerks Women’s Environment & Development Organization (Wedo) mit dem Titel „Betrug an Peking“ kommt zu dem Ergebnis, dass trotz guter Absichten in den meisten Ländern das Interesse an Geschlechtergleichheit, die Handlungsbereitschaft und die bereitgestellten Mittel für Frauenpolitik zurückgegangen sind.

Devaki Jain aus Indien, eine Pionierin internationaler Frauenpolitik, sieht die derzeitige Schwäche von Gleichstellungspolitik im Zusammenhang mit einer „doppelten Krise“: der Krise von Frauenbewegungen und der Krise der Vereinten Nationen. Zwar sind Frauenorganisationen mit 6.000 Vertreterinnen in New York zahlenmäßig stark vertreten. Doch sind Frauenbewegungen zersplittert und agieren wenig koordiniert. Die Devise von Peking, „Vielfalt ist Stärke“, wird in New York nicht bestätigt. Frauenorganisationen befinden sich offenbar in einem Strategieloch. Überall wird das Konzept des Gender Mainstreaming, der seit der Peking-Konferenz favorisierten Strategie, geschlechterspezifische Analysen und Planungen in alle Politiken einzubringen, kritisch diskutiert.

Gleichzeitig werden immer mehr Zweifel an der Effektivität der Gremien und Instrumente der Vereinten Nationen laut. Die Menschenrechtsinstrumente haben zwar starke normative Kraft, aber eine geringe Umsetzungskraft. Ungleichgewichte der Machtverteilung werden offensichtlicher. Nach Meinung von Devaki Jain ist eine Reform der UNO notwendig, damit sie wieder ein Forum wird, wo Frauen wie auch die Entwicklungsländer gleichberechtigt verhandeln können.