EU-Gespräche über Kroatien unsicher

Heute entscheidet die EU über den Beginn der Beitrittsverhandlungen. Ob sie, wie geplant, am 17. März aufgenommen werden, ist unklar. Denn das UN-Tribunal in Den Haag verlangt die Festnahme des flüchtigen Generals Ante Gotovina

AUS SPLIT ERICH RATHFELDER

Die für den 17. März geplanten ersten Verhandlungen über den Beitritt Kroatiens in die EU scheinen zu platzen. Denn nach wie vor meldet das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag Bedenken an. Kroatien wird vor allem von der Chefanklägerin Carla del Ponte vorgeworfen, im Falle des flüchtigen Generals Ante Gotovina nicht ernsthaft genug mit dem UN-Tribunal zu kooperieren. Und diese Anschuldigungen haben bei den Botschaftern der 25 EU-Staaten Eindruck gemacht.

Es ist nun wahrscheinlich, dass die EU heute die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien aussetzen wird. Denn die rückhaltlose Kooperation mit dem UN-Tribunal ist für die EU eine wichtige Voraussetzung für die Aufnahme von Beitrittsgesprächen. Kroatien bemühe sich nicht hart genug, den flüchtigen General zu finden, erklärte Del Ponte am Montag. Kroatische Geheimdienste hätten die Ermittler der UNO im vorigen Jahr sogar ausspioniert und diese Informationen an Gotovina weitergeleitet, gab sie preis. Die kroatische Regierung unter Premierminister Ivo Sanader sei offenbar nicht bereit, Gotovina festzunehmen, lautet ihr Resümee.

In Kroatien schlagen die Wellen angesichts dieser Anschuldigungen hoch. Dabei geht es scheinbar weniger um die Person des Generals als um ein Symbol. Kroatien habe einen Krieg um seine Unabhängigkeit führen müssen und lasse sich von niemandem mehr unter Druck setzen, ist eine weit verbreitete Meinung.

Wie verhärtet die Fronten inzwischen sind, zeigte am letzten Sonntag eine Fernsehsendung, bei der die Zuschauer um ihre Meinung gebeten wurden. 90 Prozent der 30.000 Anrufer stimmten dafür, Gotovina nicht auszuliefern, selbst wenn die Mitgliedschaft der EU damit in Frage gestellt werden würde.

Natürlich sind solche Umfragen nicht repräsentativ, doch geben sie Aufschlüsse über Befindlichkeiten großer Bevölkerungsgruppen. Dabei ist die Person Gotovina keineswegs so populär, wie dieses Votum suggerieren mag. Denn der 1955 auf der Insel Pasnan bei Sibenik geborene Gotovina ist als ehemaliger Fremdenlegionär und mit seiner kriminellen Vergangenheit keineswegs ein Aushängeschild. So druckte die kroatische Zeitung Vjesnik vor vier Wochen ein französisches Gerichtsurteil ab, nach dem Gotovina wegen mehrerer Banküberfälle in den Achtzigerjahren zu neun Jahren Gefängnis verurteilt worden war und sich den Strafverfolgungsbehörden entzogen hat. Nach anderen Quellen hat er wegen offenbar anderer Delikte schon über drei Jahre Haft in Frankreich abgesessen. Doch nach wie vor wird er in Frankreich gesucht. Was allerdings die französische Botschaft in Zagreb nicht daran hinderte, Gotovina 2001 seinen als Fremdenlegionär erworbenen französischen Pass zu verlängern. Als Entschuldigung erklärte ein Botschaftssprecher kürzlich, die Botschaft habe von dem Haftbefehl nichts gewusst, das Innenministerium habe die Information nicht weitergeleitet.

Die kroatische Regierung streute das Gerücht, Gotovina halte sich nicht in Kroatien auf und deshalb könne sie ihn auch nicht verhaften. Einige Spuren führen in die Kroatiengebiete Bosnien und Herzegowinas. So soll sich Gotovina zeitweise in Siroki Brieg im Schutze der Kirche aufgehalten haben. Einige Journalisten hingegen wollen Gotovina letzten Sommer an der Adriaküste gesehen haben und sind bei ihren Recherchen prompt ins Fadenkreuz der Geheimdienste geraten.

Tatsache ist, dass Gotovina über viele Sympathisanten im Geheimdienstapparat und in konservativ-nationalistischen Kreisen verfügt. Seit Jahresfrist liegt die konservative Regierung mit Präsident Stipe Mesić in der Frage der Kontrolle der Geheimdienste im Streit, die Kompetenzen sind nicht klar abgegrenzt. Der Europabefürworter und mit 66 Prozent der Stimmen erst kürzlich wiedergewählte Präsident will die Geheimdienste säubern. Doch kaum seien einige Leute entlassen, tauchten sie an anderer Stelle wieder auf, erklären interne Quellen. Die Macht des Präsidenten reicht offenbar nicht aus, den „Sumpf auszutrocknen“.

Für Kroatien führt aber kein Weg an der Auslieferung Gotovinas vorbei, wenn es in die EU will. Und das zwingt die Gesellschaft zu weiteren innenpolitischen Auseinandersetzungen. Denn ungeachtet der emotionalen Fernsehabstimmung vom letzten Sonntag sind nach repräsentativen Umfragen die meisten Kroaten für einen Eintritt des Landes in die EU.