Geschenke für deutsche Biotechnologen

Damit die Opposition das Gentechnikgesetz nicht mehr blockiert, macht die grüne Ministerin Renate Künast Zugeständnisse: Sie schwächt die Vorschriften für die Biotechnik in der Industrie ab – etwa wenn Waschmittel oder Jeans hergestellt werden

VON WOLFGANG LÖHR

„Weiß statt Grün“, heißt die neue Devise von Renate Künast. Die grüne Verbaucherministerin will jetzt Erleichterungen für die Biotech-Industrie durchsetzen. Bei der grünen Gentechnik, derjenigen auf dem Acker, hatte sie sich noch den Zorn der Forscherlobby zugezogen. Diese dürften sich nun hingegen freuen. Bei der Anwendung der Gentechnik in Industrieanlagen, etwa bei der Herstellung von Waschmitteln, kommt sie ihnen nun entgegen. Das erklärte jetzt Alexander Müller, Staatssekretär im Künast-Ministerium. Es handelt sich dabei um die „Weiße Biotechnologie“.

Hintergrund ist das Gentechnikgesetz, das gestern im Verbraucherausschuss des Bundestags debattiert wurde. Künast hat es zweigeteilt. Der erste Teil ist bereits in Kraft, doch der zweite ist zustimmungspflichtig im Bundesrat. Und hier wollen die unionsgeführten Länder blockieren. Besser gesagt: Sie wollen ihn nur akzeptieren, wenn auch der erste Teil noch einmal aufgeschnürt wird – und die aus ihrer Sicht zu restriktiven Vorgaben für die Saatgutindustrie zurückgenommen werden. Denn darin ist zum Beispiel geregelt, dass Bauern haften, wenn der von ihnen gesäte Genmais Schäden verursacht.

Um diesem Kuhhandel zu entgehen, kommt Künast den Unionsländern nun mit entschiedenen Verbesserungen für die Industrie in dem anderen Bereich entgegen. Diese Form der Gentechnik spielt zum Beispiel eine Rolle bei der Herstellung von Enzymen, Arzneimitteln und Aminosäuren. So werden selbst viele stonewashed Jeans heute nicht mehr mit Steinen gebleicht, sondern mit Cellulase-Enzymen aus gentechnischen Produktionsanlagen. Entsprechend dem neuen Entwurf des Gentechnikgesetzes sollen nun die Sicherheitsvorschriften, die bei solchen Verfahren bisher gegolten haben, gelockert werden. Und Produktionsanlagen, für die die unterste Sicherheitsstufe gilt, sollen von Genehmigungsverfahren befreit werden.

Fast wie auf Bestellung veröffentlichte diese Woche auch das Umweltbundesamt in Berlin eine neue Studie, die die wirtschaftlichen und ökologischen Vorteile der Weißen Biotechnologie aufzeigt. Darin wird die Herstellung von Produkten in herkömmlichen chemischen Anlagen mit der entsprechenden biotechnologischen verglichen. Demnach fallen zum Beispiel bei der Produktion des biotechnisch hergestellten Vitamins B2 weitaus weniger umweltschädliche Substanzen – Schwefeldioxid, Schwefelwasserstoffe, Stickoxide, Chloride und Kohlenwasserstoffe – an. Lediglich bei Ammoniak und Ammonium seien höhere Werte gemessen worden. Ähnliche Umweltentlastungen wurden bei der Lederherstellung mit Biotechenzymen, dem Einsatz von Waschmittelenzymen oder Leistungsförderern in der Tiermast festgestellt.

Für die Industrievereinigung Dechema gehört die Weiße Biotechnologie zu den Wachstumsmärkten der Zukunft. Und im Unterschied zu der kommerziellen grünen Gentechnik, wo die USA vorne sind, sieht die Dechema Europa in der Weißen Biotechnologie noch immer in einer „führenden Position“. Und die dürfe nicht gefährdet werden.