Ein Schaf namens Doris

Kaninchen nicht nur für den Kochtopf: Mit „Der letzte Romantiker“ hat Jochen Till seinen ersten Roman für Erwachsene geschrieben

Das Finale auf dem Bauernhof zeitigt so einige Abgründe, die selbst in dieser kriminellen Runde noch für Überraschungen sorgen. Es wird nicht nur das Geheimnis gelüftet, was der gefährliche Bandenchef „Büffel“ vor Jahren mit einem Fisch in der Hertie-Damen-Umkleidekabine zu suchen hatte, sondern auch die Wahrheit über Rockets Kindheitstrauma – warum nämlich damals Kater Clyde nach Onkel Ottos Besuch aufgeschlitzt auf dem Küchentisch lag.

An skurrilen Todesarten und abseitigen Veranlagungen hat Jugendbuch-Autor Jochen Till in seinem neuen Roman nicht gespart. Wie in seinen bisherigen Büchern, die Till 2003 eine Nominierung für den Deutschen Jugendliteraturpreis einbrachten, ist auch „Der letzte Romantiker“ wieder ziemlich rasant, aber dieses Mal direkt an Erwachsene gerichtet. Dafür, dass es nicht versehentlich in die Schulbibliothek gerät, gibt es genügend sexuell unverfrorene Skurrilitäten. Schon das erste Opfer lässt sein Leben mitten im Geschlechtsakt, und ein merkwürdiger älterer Herr ist auf der Flucht, weil er vor Eifersucht seinem jüngeren Liebhaber, den er in flagranti auf dem Küchentisch erwischte, den Penis abgebissen hat.

Zu erwachsen sollten die Leser dieses Buches allerdings auch nicht sein. Richtig böse wird es hier nie, auch die gefährlichsten Gangster sind irgendwie nette Verlierer nach dem üblichen Road-Movie-Schema: sympathische, aber wenig helle Kleinkriminelle, die vor einem wütendem Gangsterchef fliehen und dabei eine hübsche Geisel mitnehmen, aus der eine prima Komplizin wird. Vor dem kuriosen Finale gibt es dann noch zahlreiche Verwicklungen mit „Pulp Fiction“-Anleihen oder von „Wir können auch anders“, was den Roman wie das Drehbuch zu einem Comedy-Krimi aussehen lässt.

Das ist recht kurzweilig und schnell verdaut – aber die Scherze sind abgedroschen und schal. Da nützt auch all das Skurrile nichts, etwa Kaninchen, die Hühner besteigen, und Verwandte, die mit Schafen namens Doris Schröder-Köpf Tierpornos drehen. Und damit niemand vergisst, dass hier eine schräge Geschichte abläuft, muss die Geisel bestimmt fünfmal wiederholen, wie durchgeknallt doch alle sind. Jochen Till kann zwar flott erzählen, aber der Sprachwitz bleibt Mitleid erregend dürftig. Dass ein dämlicher Gangster seinem Kollegen aus Spaß immer wieder Klebstoff auf die Hände schmiert, während der andere versucht, eines der Opfer mit Hilfe von Hühnern und Kaninchen zu vierteilen, das sind nur zwei von vielen infantilen Einfällen.

Auch die sehr zeitgemäße Idee, die Handlung aus verschiedenen Perspektiven zu erzählen, hätte sich Till sparen können. Denn treffende Parodien verschiedener Charaktere auch nur ansatzweise zu zimmern, gelingt ihm nicht. Dass die Figuren, egal ob es sich um den gefährlichen Gangsterboss oder die resolute Mutter handelt, allesamt den gleichen naseweisen Gymnasiasten-Humor haben, statt auch nur in einem Bruchteil als Karikaturen ihres Metiers durchzugehen, macht dieses angestrengt bizarre Buch ziemlich unerträglich. Zumindest hat man bei der Lektüre nicht viel Zeit verloren, höchstens die Aussicht während einer Bahnfahrt.

CHRISTIAN BERNDT

Jochen Till: „Der letzte Romantiker“. Edition Nautilus, Hamburg 2004, 224 S., 12,90 Euro