Hitlers Kernwaffen

Historiker präsentiert Neues zur Nazi-Atomforschung. Fazit: Sie bauten an der Bombe bis zum Schluss

BERLIN taz ■ Es war ein Auftrieb wie bei einem Ministerrücktritt. Etwa 100 Journalisten drängelten sich gestern in einem Saal der Bundespressekonferenz in Berlin. Und doch ging es nicht um Aktuelles, sondern um Geschichte, deutsche immerhin. Denn der Berliner Wirtschaftshistoriker Rainer Karlsch präsentierte sein Buch „Hitlers Bombe“. Sensationelle Ergebnisse zu den Tests deutscher Kernwaffen im März 1945 hatte der Verlag angekündigt. Und das hatte im Vorfeld für enormes, teilweise negatives Presseecho gesorgt.

Gestern nun also der erste öffentliche Auftritt des Autors zur Sache. Karlsch wehrte sich gegen die Unterstellung, seine Schlüsse seien nicht durch historische Quellen gedeckt. Das Heereswaffenamt der Nazis habe an Atombomben geforscht. Darin stimmten nicht nur Zeitzeugen und neu gefundene sowjetische Dokumente überein, sondern auch der erstmals zugängliche Nachlass des Professors Erich Schumann, des damaligen Leiters der Forschungsabteilung des Heereswaffenamtes.

Dabei hätten die Naziforscher niemals Atombomben wie diejenigen der US-Amerikaner in Hiroschima oder Nagasaki bauen können, so Karlsch und der ebenfalls anwesende emeritierte Professor und Zeitzeuge Friedwart Winterberg. Dafür war das Waffen- und Forschungsprogramm zu klein und die Menge an verfügbarem Uran oder Plutonium ebenso. Aber sie forschten bis zum Ende des Krieges an einer Art kleinen Lösung: Mit Hilfe so genannter Hohlladungen aus Sprengstoff – wie später etwa in Atomgranatendesigns der USA verwendet – sollte Atomspaltstoff eine konventionelle Explosion enorm verstärken.

Mindestens eine solche Explosion könnte auch geglückt sein, und zwar im Frühjahr 1945 auf dem thüringischen Truppenübungsplatz Ohrdruf. Wenn das stimmt, wäre es die erste nukleare Explosion weltweit gewesen. Für eine genaue physikalische Untersuchung von Bodenproben werden aber noch Zeit und Forschungsmittel benötigt. In Kummersdorf bei Berlin stand auch ein Versuchsreaktor der Nazis. Er wurde von den Sowjets noch am 8. Mai 1945 demontiert und nach Russland verfrachtet.

Der ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesende New Yorker Historiker Mark Walker sprach von einem „neuen Kapitel der deutschen Wissenschaftsgeschichte“. Denn bei den beteiligten Naziforschern handelte es sich nicht um die bekannten deutschen Kernphysiker wie Werner Heisenberg, sondern um andere. Und diese hätten im Gegensatz zu Heisenberg zielstrebig an einer Waffe geforscht. „Der Versuch ist hier das Neue und wichtiger als das Ergebnis“, so Walker. REINER METZGER