KZ-Gedenkstätten gegen Demoverbote

Versammlungsrecht für Liebhaber: Länder wollen Neonazi-Demos vor KZ verbieten – obwohl es die bisher nie gab

BERLIN taz ■ In den Verwaltungen deutscher KZ-Gedenkstätten müssten dieser Tage eigentlich Dankesbriefe verfasst werden. Mehrere Bundesländer haben versprochen, den Einrichtungen ein Problem vom Hals zu schaffen: Ob Buchenwald, Sachsenhausen oder Ravensbrück – vor den ehemaligen Konzentrationslagern sollen Neonazis nie mehr demonstrieren. Das neue Versammlungsrecht macht es möglich: Die Landesregierungen dürfen historische Stätten besonders schützen. Doch die Reaktion aus den Gedenkstätten klingt mitnichten hocherfreut.

„Wir wundern uns ein bisschen“, sagt zum Beispiel Jörg Skriebeleit, Leiter der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg. Aus der Presse erfuhr er vom Plan des bayerischen Innenministeriums, Neonazi-Demos vor der Anlage zu verbieten. Skriebeleit rieb sich die Augen. Denn: „So eine Demonstration hat hier noch nie stattgefunden.“ Warum das Land ein Problem verbietet, das es nicht gibt – Skriebeleit weiß darauf keine Antwort.

Vielen Kollegen geht es ähnlich. Weder in Buchenwald noch in Mittelbau-Dora, Dachau, Ravensbrück oder Sachsenhausen haben je Neonazis versucht aufzumarschieren, heißt es aus den Gedenkstätten. Doch auch hier sind Verbote geplant.

Natürlich hätten seine Mitarbeiter ständig Ärger mit Neonazis, erklärt Volkhard Knigge, Stiftungsdirektor für Buchenwald und Mittelbau-Dora. Doch die Verbote seien keine Lösung: Sie verhinderten weder Schnappschüsse mit Hitlergruß im Krematorium noch Schmierereien in Besucherbüchern. Dagegen könnten die Gedenkstätten nur ihr Hausrecht einsetzen – also die Störer rauswerfen.

Die Landesministerien verkaufen ihre Verbotspläne trotzdem weiter als prima Initiativen gegen rechts. Neonazis hätten sehr wohl versucht, vor KZ aufzumarschieren, versichert der Sprecher des Thüringer Innenressorts. Beispiele? Fehlanzeige. Zudem sei es sinnvoll, solche Demos vorsichtshalber auch präventiv auszuschließen. Das Ministerium in München prophezeit sogar einen Trend zur Gedenkstätten-Demo: Weil die NPD kein „Altherrenverein“ mehr sei, werde sie neue „Tabubrüche“ nicht scheuen – auch nicht die Provokation am KZ-Zaun. Der Berliner Rechtsextremismusforscher Richard Stöss bezweifelt diese Prognose: „Warum sollten die plötzlich an den Stätten ihrer Schande aufmarschieren?“

Für Stöss sind die Gedenkstättenpläne Ausdruck einer „unheilvollen“ politischen Hektik. Wie beim Vorstoß für ein NPD-Verbot hätten sich die Aktionen gegen den Rechtsextremismus „völlig verselbstständigt“. Die Kritik des Direktors der Buchenwald-Gedenkstätte fällt vorsichtiger aus. Aber auch Knigge warnt: Ein Demonstrationsverbot greife „tief in demokratische Grundrechte ein“. Das eigentliche Problem seien die Fremdenfeindlichkeit und der Antisemitismus aus der Mitte der Gesellschaft. „Dagegen“, sagt Knigge, „hilft aber nur die tägliche politische Auseinandersetzung.“

ASTRID GEISLER