Bundesbank beschert Eichel ein neues Loch

Der geringe Jahresgewinn der Bank legt das unrealistisch-optimistische Schönrechnen des Finanzministers offen

Sie selbst ist als Bank dem nüchternen Zahlenwerk verpflichtet. Doch ihr Drumherum ist hochpolitisch und voller finanzieller Begehrlichkeiten. So kam es, dass gestern das magere Ergebnis der Bundesbank im vergangenen Jahr unterschiedlich interpretiert wurde. „Uff, doch noch Gewinn gemacht“, freuten sich die einen. „Hilfe, sie überweisen uns weniger Geld, als wir dachten“, klagten die anderen.

Die Bundesbank, einst strenge Hüterin einer starken D-Mark, hatte vorsichtshalber gleich mit einem Verlust gerechnet. Finanzminister Hans Eichel dagegen kalkulierte hoffnungsvoll mit einem Gewinn von 2 Milliarden Euro als Einnahme für seinen klammen Haushalt – ursprünglich war er sogar einmal von 3,5 Milliarden ausgegangen. Das wäre die Höchstgrenze dessen gewesen, was der Finanzminister von den Bundesbankgewinnen verwenden darf. Was darüber hinausgeht, muss in die Schuldentilgung fließen.

Nun sind es nur 676 Millionen Euro geworden. Aus mehreren Gründen: Der hohe Eurokurs brachte der Bank Verluste, weil sie den größten Teil ihrer Reserven in Dollar hält. Um fast 8 Prozent hat die europäische Währung im vergangenen Jahr zugelegt – die Dollarreserven verloren gleichzeitig um 2,1 Milliarden Euro an Wert. Auch die niedrigen Zinsen schmälerten den Erfolg der „Buba“. Denn als Bank der Geschäftsbanken macht sie ihre Gewinne mit Krediten an die Sparkassen und all die anderen Geldinstitute in Deutschland. Obendrein musste sie als Zentralbank des größten EU-Mitglieds ein Drittel des Jahresverlusts der Europäischen Zentralbank übernehmen, die ebenfalls unter den niedrigen Zinsen litt.

Dass die Bundesbank denn doch nicht in die roten Zahlen rutschte, ist einem „Sondereffekt“ zu verdanken: 1,2 Milliarden Euro, die zur Bezahlung von D-Mark-Noten zurückgestellt waren, gaben die Banker frei. Man rechne nicht damit, dass die alten Geldscheine umgetauscht würden, so die Begründung.

Für Hans Eichel spielt zur Zeit aber jeder Cent eine Rolle: Sein Haushalt ist nur verfassungskonform, wenn die Summe der Neuverschuldung – geplant sind 22 Milliarden Euro – geringer ist als die der Investitionen. Die Differenz wird immer kleiner, spielt sich bereits nur noch in dreistelligen Millionenbeträgen ab. Ein Ausfall von gut 1,3 Milliarden Euro ist da fast schon eine Katastrophe. Außerdem sitzen dem Minister die Brüsseler Wächter des Euro-Stabilitätspakts im Nacken.

Aus dem Ministerium hieß es gestern dennoch, man sei „zuversichtlich“, die Lücke schließen zu können. Polen habe schneller als geplant Schulden zurückgezahlt, auch flössen unerwartete Dividenden aus Post und Telekom in den Haushalt. Im Übrigen profitiert der Finanzminister mit seinen hohen Schulden, anders als die Bundesbank, von den niedrigen Zinsen.

Sogar der „Stabi“ könne vielleicht noch eingehalten werden, hofft Eichel mit gewohntem Optimismus. Schön, wenn das klappen würde – doch in diesem Fall sollte der Pakt eigentlich keine Rolle spielen. Schließlich wurde er geschaffen, um Finanzminister zur Disziplin zu rufen. Ein – politisch unverschuldeter – Gewinnausfall bei der Zentralbank hat damit nichts zu tun. Ein gutes Beispiel dafür, wie der vom Prinzip her vernünftige Stabilitätspakt immer mehr zum Selbstzweck wird.

KATHARINA KOUFEN