Bertelsmann: Telefon statt Television

Deutschlands größter Medienkonzern aus Gütersloh verlegt sich im Kerngeschäft eher aufs Konsolidieren. Große Pläne gibt es nur für die Dienstleistungstochter Arvato. Sie will ins Mobilfunkgeschäft einsteigen und Gemeinden verwalten

BERLIN taz ■ Solide und im Kerngeschäft erstaunlich visionslos steht Deutschlands einziger Medienkonzern von internationalem Rang da: Für das Geschäftsjahr 2004 kann Bertelsmann ordentliche Zahlen präsentieren, „jetzt geben wir Gas“, verspricht Vorstandschef Gunther Thielen. Und man fragt sich – wohin?

Ins Telefongeschäft, zum Beispiel: „Wir prüfen, ob wir eine eigene Mobilfunkmarke einführen“, sagte gestern Arvato-Chef Hartmut Ostrowski bei der Bilanzpressekonferenz des Konzerns. Früher hieß Arvarto schlicht Mohndruck und machte das auch. Heute gehören zu Arvato neben Druckereien Callcenter in Marokko, Finanzdienstleister und Logistik-Unternehmen.

Und nun also noch Telekommunikation nach der MVNO-Strategie. Das Kürzel steht für Mobile Virtual Network Operation, bei der kein eigenes Netz aufgebaut, sondern Übertragungskapazitäten bei anderen Anbietern gemietet werden. Vorbild ist der Kaffeeröster und Alles-mögliche-Verkäufer Tschibo: Das Unternehmen hatte 2004 ein eigenes Handy-Angebot gestartet und nutzt dazu das Netz von O2. Arvato rede mit allen großen Netzbetreibern, so Ostrowski. Auch wenn öffentliche Bedienstete des britischen Landkreises East Riding Geld auf ihrem Konto finden, steckt dahinter der Medienkonzern aus Gütersloh. Über seine britische Tochter übernimmt Arvarto dort diverse Aufgaben der Kommunalverwaltung.

„Das ist für Bertelsmann ein Pilotprojekt von strategischer Bedeutung und ein Markt mit unglaublichen Wachstumschancen“, sagte Bertelsmann-Chef Gunter Thielen. Praktischerweise ist die vom operativen Konzerngeschäft natürlich gänzlich unabhängige Bertelsmann-Stiftung seit langem in der Beratung von Kommunen unterwegs.

Weit weniger aufregend präsentiert sich derzeit das eigentliche Mediengeschäft: RTL Group-Chef Gerhard Zeiler möchte noch ein paar TV-Sender in Süd-, Ost- oder Südosteuropa dazukaufen – wenn sich denn die Gelegenheit ergibt: „Wir sind auch in der Lage, warten zu können.“

Die Bertelsmann Music Group ist nach der Fusion mit Sony zu SonyBMG sowieso überwiegend mit sich selbst beschäftigt – und sorgt wieder für steigende Gewinne. Vom Musikgeschäft im Internet wird allerdings nur noch sehr am Rande geredet – wieder bei Arvato: Die Download-Plattform Gnab soll demnächst Musik, Filme und Handyklingeltöne anbieten.

Das Bertelsmann-Sorgenkind Direct Group bemüht sich weiter, seinen siechenden deutschen Buchclubs neues Leben einzuhauchen und auch in Großbritannien aus der Verlustzone zu kommen. Dank guter Geschäfte vor allem in Spanien und Frankreich konnte sie 2004 immerhin wieder in zweistelliger Millionenhöhe zum Jahresergebnis beitragen.

Nur beim „Marktführer Zeitschriften Europa“ (Bertelsmann-Einteilung) hat es nicht ganz hingehauen: Gruner + Jahr (Stern, Brigitte) musste einen kräftigen Rückgang beim operativen Gewinn um 23 Millionen Euro auf 210 Millionen Euro verbuchen. Das, so Thielen, liege aber an Investitionen in neue Titel im ebenfalls zweistelligen Millionen-Euro-Bereich. Und, was Thielen nicht sagte, am wenig ersprießlichen Zustand von Gruner + Jahr in den USA. Insgesamt stieg das Bertelsmann-Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Sondereinflüssen (Ebit) 2004 auf 1,429 Milliarden Euro nach 1,114 Milliarden Euro im Vorjahr.

STEFFEN GRIMBERG