Jesus bringt Flüchtlingen die Freiheit

Australien erwägt Duldung von „Illegalen“ aus muslimischen Ländern, weil sie zum Christentum konvertiert sind

CANBERRA taz ■ Bis zu 30 irakische und iranische Asylsuchende sollen aus Internierungslagern für Flüchtlinge entlassen werden, weil sie während ihres dreijährigen Aufenthalts in der australischen Wüste vom Islam zum Christentum konvertiert sind. Das bestätigte die australische Regierung gestern. Die Flüchtlinge stammen aus Afghanistan, Irak und Iran, unter ihnen sind auch Kinder. Ein Sprecher des Einwanderungsministeriums sagte gestern, die Betroffenen hätten alle rechtlichen Möglichkeiten, in Australien Asyl zu erhalten, ausgeschöpft. Mit der Konvertierung hat sich ihre Lage insofern geändert, als den neuen Christen in den Herkunftsländern Verfolgung drohen könnte.

Premierminister John Howard widersprach gestern Vorwürfen, seine Regierung bevorzuge Flüchtlinge christlichen Glaubens zu Lasten von Muslimen. Die voraussichtliche Duldung der Flüchtlingsgruppe ist eine deutliche Abkehr von der bisherigen Praxis. Bislang betrachtete die Regierung Konvertierungen von Asylsuchenden prinzipiell mit Skepsis, weil sie einen Wechsel der Religion als Versuch wertete, ein abgelehntes Asylgesuch wieder zu aktivieren. Laut der von Australien unterzeichneten UNO-Flüchtlingskonvention darf ein Staat Personen nicht ausweisen, wenn ihnen in der Heimat wegen ihrer Religion die Verfolgung droht. In verschiedenen islamischen Ländern müssen Konvertierte mit schweren Strafen rechnen.

In den vergangenen Monaten haben Kirchenvertreter und Repräsentanten der erzkonservativen christlichen Partei „Family First“ in der Angelegenheit Druck auf die Regierung gemacht. Der anglikanische Erzbischof von Sydney, Peter Jensen, intervenierte im Fall eines Flüchtlings aus Iran. Der gebürtige Muslim war während seiner Internierung zum Christentum übergetreten. Einwanderungsministerin Amanda Vanstone verweigerte dem Mann ein zeitlich begrenztes Schutzvisum – einem Mann, „dem im Iran wegen seiner Konvertierung der Tod droht“, so die Flüchtlingsaktivistin Marion Le am Montag.

Dass Regierung jetzt bereit bereit ist, die harte Politik gegenüber Asylsuchenden zu lockern, hat aber in erster Linie politische Gründe. Seit den Wahlen im vergangenen Oktober kontrolliert die konservative Regierungskoalition unter Premierminister John Howard das Repräsentantenhaus und den Senat. In der Oberkammer hat die Regierung allerdings nur eine Mehrheit von einem Sitz. Aus diesem Grund ist Premier Howard bei Abstimmungen auf den Abgeordneten der Partei „Family First“ angewiesen. Diese Gruppierung trat bei den Wahlen im Oktober zum ersten Mal in Erscheinung und gewann gleich einen Parlamentssitz. Obwohl die Partei es bestreitet, wird ihr nachgesagt, sie unterhalte enge Beziehungen zu fundamentalistischen Christen in den USA. URS WÄLTERLIN