Auch Ärzten droht jetzt Praxisgebühr

Das Düsseldorfer Sozialgericht erklärt die Praxisgebühr für rechtmäßig – und verpflichtet die Ärzte, Gerichts-, Porto- und Mahnkosten für Gebührenmuffel selbst zu finanzieren. Die Mediziner fürchten hohe Kosten und fordern eine Gesetzesreform

VON NADINE BÖS

Die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KV Nordrhein) bringt den Streit um die Eintreibung der Praxisgebühr zurück in die Schlagzeilen. Der Grund ist ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf. Das Gericht entschied gestern in einem Musterverfahren, dass alle Patienten die Praxisgebühr zu zahlen haben. Sowohl die Gerichts- wie auch die Mahn- und Portokosten, um Gebührenmuffel zum Zahlen zu bringen, muss die Ärzteschaft allerdings selbst abdrücken. Wird ein Patient wegen Zahlungsverweigerung verklagt, entstehen ihm keine Prozesskosten. Allein der KV blüht ein Pauschalbetrag von 150 Euro pro Verfahren.

Deshalb befürchtet die KV Nordrhein nun, dass hohe Kosten auf sie zukommen könnten, falls sie jede noch ausstehende Praxisgebühren-Zahlung per Gerichtsverfahren einklagen müsste. Die Rede ist von 3,5 Millionen Euro Gerichtsgebühren. Die Tatsache, dass Patienten keine Gerichtskosten tragen, auch wenn sie verlieren, ist eine Eigenheit von Sozialgerichts-Prozessen.

Die KV Nordrhein fordert nun Gesetzesänderungen von der Politik: „Es kann nicht angehen, dass die Krankenkassen von der Gebühr profitieren, sich aber nicht darum kümmern müssen, sie einzutreiben“, sagte eine KV-Sprecherin der taz. Was zu Beginn der Einführung der Praxisgebühr bereits diskutiert wurde, könnte nun also nochmals aufgerollt werden.

Eine solche neuerliche Diskussion über die Praxisgebühr wäre „unglücklich“, warnte prompt der AOK-Bundesverband. Momentan verweigerten nur 0,3 Prozent aller Patienten die Zahlung der Gebühr. „Wir reden hier also über absolute Ausnahmefälle“, so eine AOK-Sprecherin. Die Gerichtsentscheidung werde die Zahlungsmoral der Patienten allerdings nicht gerade steigern, da ihnen momentan keinerlei Nachteile dadurch entstehen, zunächst die Zahlung zu verweigern. „Dass die Ärzte die Kosten für die Eintreibung ihrer eigenen Honorare nicht tragen wollen, ist ausgesprochen frech“, sagte Karl Lauterbach, politischer Berater von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, der taz. „Sie argumentieren gerne, dass sozial schwache Menschen die sozialen Sicherungssysteme ausnützen würden“, so Lauterbach. „Tatsache ist aber, dass selbst die Ärmsten bereit sind, die Praxisgebühr zu bezahlen.“

Das Bundesgesundheitsministerium seinerseits sieht keinen Grund für Gesetzesänderungen: „Den schwarzen Peter schlicht der Politik zuzuspielen, ist zu einfach“, sagte eine Ministeriumssprecherin der taz. „Ärzte und Kassen müssen sich im Rahmen der Selbstverwaltung einigen.“ Das Ministerium könne lediglich eine Moderatorenrolle in der Sache übernehmen: „Die Gesetze aufgrund des Urteils zu modifizieren, ist nicht geplant; wir sehen das auch nicht als unsere Aufgabe an.“

„Oft sind die KVen als Lobbygruppen stärker als die Kassen“, warnt jedoch Gesundheitsexperte Lauterbach. Denkbar sei deshalb, dass es der Ärztelobby trotz allem gelingen könnte, erfolgreich Druck auf die Kassen auszuüben.