FDP fischt im grünen Teich

Fraktionschef Gerhardt setzt neuen Liberalen-Schwerpunkt, „Bürgerrechte“, und hat dies angeblich sogar Westerwelle rechtzeitig gesagt. Jetzt müssen Grünen-Wähler nur noch von Atomkraft und Privatisierung überzeugt werden

BERLIN taz ■ Kein Blatt Papier passt zwischen die beiden Chefs der Liberalen, Wolfgang Gerhardt und Guido Westerwelle. Beteuert zumindest der FDP-Fraktionsvorsitzende Gerhardt. Das klingt so: „Ich trete mit Westerwelle, wenn notwendig, auch zusammen auf.“

Die „kleine Regierungserklärung“, die Gerhardt gestern vorstellte, habe er tags zuvor mit dem FDP-Parteivorsitzenden abgesprochen. Diese Erklärung sei nun eine „Visitenkarte programmatischer Art“. Gerhardt sieht „keinen Unterschied zu Guido Westerwelle“. In „keinem Satz.“

Trotzdem will Gerhardt ganz offensichtlich Unterschiede zu Westerwelle markieren. Deutlich betont der Fraktionschef, der von Westerwelle Anfang 2001 vom Sitz des Parteichefs verdrängt wurde, einen neuen, alten liberalen Schwerpunkt: die Bürgerrechte. „Wir haben im Bundestag immer so gestimmt“, aber niemand habe das Engagement der Fraktion wahrgenommen, sagte Gerhardt gestern. Zur neuen Profilierung der Partei in Richtung Bundestagswahl 2006 und Koalition mit der Union habe er „das Kapitel Bürgerrechte ganz bewusst wieder hervorgeholt“. Dies sei in einem schwarz-gelben Regierungsbündnis „das klassische Feld der FDP“. Hiervon will die FDP vor allem bisherige Grünen-Wähler überzeugen. „Wir haben mit den Grünen immer schon Wähleraustausch gehabt. Mich interessiert dieses großstädtische Publikum“, erklärte Gerhardt.

Auf Nachfrage konnte Gerhardt einige Punkte nennen, in denen die FDP die Grünen bürgerrechtlich überholt habe und weiterhin überholen wolle. So müssten die Antiterrorgesetze von Innenminister Otto Schily (SPD) überprüft werden. Genauer wurde er nicht. Doch auf einer so betitelten „grünen Giftliste“ der FDP-Fraktion steht etwa der Vorbehalt gegen die biometrische Aufrüstung von Ausweispapieren, den zwar die FDP, nicht mehr aber die Grünen formulieren. Der Weitergabe von Flugpassagierdaten an US-Behörden zwecks Terrorbekämpfung hat der grüne Außenminister Joschka Fischer, nicht aber die FDP zugestimmt.

Auch gegen den „gläsernen Patienten“, der mit der Gesundheitsreform drohe, wetterte Gerhardt gestern. Er erwähnte allerdings nicht, dass die begrenzte Weitergabe von Patientendaten an die Krankenkassen bei den Privatversicherungen immer schon in weit größerem Umfang üblich war. Die FDP vertritt grundsätzlich die Interessen der Privatversicherungen, denn sie will das Gesundheitssystem privatisieren – wie auch die anderen sozialen Sicherungssysteme durch Kapitaldeckungsverfahren ersetzt werden sollen.

Sozial- und steuerpolitisch wartete Gerhardt so auch mit gut gepflegten liberalen Bekannten auf: Die Steuern werden gesenkt. Vor diesem Hintergrund muss dann auch der Vorschlag eines „Bürgergelds“ verstanden werden, das Bedürftigen die „Sozialleistungen aus einer Hand“ verspricht. Dadurch, dies vertreten auch Nichtliberale, wird zwar die Lage für Arbeitslose und andere, die von staatlichen Leistungen abhängig sind, überschaubar. Doch dürfte ihre Begeisterung entscheidend von der Höhe des Bürgergelds abhängig sein.

Umweltpolitisch überraschte Gerhardt gestern mit der zunächst rot-grün klingenden Behauptung, dass ein Gegensatz von Arbeit und Umweltschutz „falsch“ sei. Doch bleibt offen, wie erfolgreich die FDP im grünen Milieu mit der daraus resultierenden Forderung wildern wird, dass die Atomkraft wieder her muss. ULRIKE WINKELMANN