Brüssel spielt Gott in Frankreich

Viel Symbolpolitik beim Brüsseler EU-Gipfel: Die Änderung bei der Dienstleistungsrichtlinie soll sich positiv auf das Referendum zur EU-Verfassung am 29. Mai in Frankreich auswirken

BRÜSSEL taz ■ Symbolischen Charakter hatte das Treffen der 25 Staats- und Regierungschefs gestern zum Frühjahrsgipfel in Brüssel. Die Politiker segneten die Reform des Stabilitätspaktes ab, die am Sonntag von den Finanzministern ausgehandelt worden war. Sie verabschiedeten außerdem eine Erklärung zur Halbzeitbilanz des Wachstumsprogramms von Lissabon, die den praktischen Nutzen für die Menschen in den Mittelpunkt stellt. „Was wollen die Menschen? Sie wollen Arbeit“, sagte Ratspräsident Jean-Claude Juncker am Ende des Treffens. Über allgemeine politische Willensbekundungen geht das Schlussdokument aber nicht hinaus.

Auch zu der vor allem in Frankreich und Deutschland umstrittenen Dienstleistungsrichtlinie fassten die Politiker keine neuen Beschlüsse. Sie forderten lediglich, dass es durch die Öffnung der Märkte nicht zu Sozialdumping kommen dürfe. Damit sollen vor allem die Vorbehalte französischer Gewerkschafter und EU-Kritiker beschwichtigt werden, die Brüssel für den Abbau von Arbeitnehmerrechten verantwortlich machen. Laut neuesten Umfragen muss Staatspräsident Jacques Chirac beim Referendum über die europäische Verfassung wegen dieser Vorbehalte eine Ablehnung befürchten.

Industriekommissar Günter Verheugen stellte gegenüber dem Bayerischen Rundfunk klar, an der Dienstleistungsrichtlinie würden nur Kleinigkeiten geändert. Auch er wollte keine konkreten Punkte nennen. Das Thema sei zu heikel, damit müssten sich Juristen befassen. Schon in seiner jetzigen Fassung rechtfertige der Gesetzestext die Aufregung nicht. „Niemals war geplant, dass ein polnischer Altenpfleger in Deutschland zu polnischen Löhnen seine Dienste anbieten kann.“

Die Regierungschefs verständigten sich auch auf langfristige Ziele zum Klimaschutz. Sie forderten die Industrieländer auf, den Ausstoß von Treibhausgasen bis 2020 um weitere 15 bis 30 Prozent auf Basis des Kioto-Protokolls zu reduzieren. Deutschland und Österreich setzten sich nach Angaben von Diplomaten aber mit der Forderung durch, keine weiteren Zahlen bis zum Jahr 2050 zu nennen. Im Entwurf für die Gipfelerklärung war noch eine Reduzierung von 60 bis 80 Prozent vorgesehen.

DANIELA WEINGÄRTNER

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