Sechs Prozent sind rechtsextrem

In Brandenburg hegen zwölf Prozent rechtsextremes Gedankengut, in Berlin ist es die Hälfte. Kaum Unterschiede im Ost- und Westteil der Stadt. Das zeigt eine neue Studie

„Es gibt wertvolles und unwertes Leben.“ Wer dieser und fünf ähnlichen Aussagen voll zustimmt, der hat eine eindeutige rechtsextreme Einstellung. Das besagt eine neue Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa in Kooperation mit der Freien Universität, die gestern vorgestellt wurde. Die Kernaussage der Befragungen im Oktober und November 2004: Sechs Prozent der wahlberechtigten Berliner hegen eindeutig rechtsextremes Gedankengut. Zahlenmäßige Unterschiede zwischen Ost- und Westberlin gibt es dabei nicht.

In Brandenburg sind es mit zwölf Prozent doppelt so viele, das ist jeder achte Wahlberechtigte. Dabei gibt es starke Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Gebieten. Im so genannten Speckgürtel rund um die Hauptstadt fallen laut Studie unterdurchschnittliche neun Prozent unter die Rechtsextremen-Definition. In den weiter entfernten Regionen sind es 13 Prozent.

Überrascht hat dieses Ergebnis die Macher der Untersuchung nicht. „Wir wussten aus früheren Studien, dass ungefähr ein solches Potenzial besteht“, sagte Oskar Niedermayer, Politologe an der FU. Die neue Analysemethode bestätige vielmehr eine Faustregel früherer Untersuchungen, fügte sein Kollege Richard Stöss hinzu. Und die lautet: Das rechte Potenzial ist in Brandenburg doppelt so groß wie in Berlin. Je höher die Schulbildung der Befragten, desto geringer ist ihre Neigung zu rechtem Gedankengut. Doch dieser Eindruck kann trügen, gibt Niedermayer zu: „Hoch gebildete Befragte haben bei den Fragen eher den Braten gerochen.“ Und daher bei ihren Antworten auch eher gelogen.

Die Studienergebnisse lassen aus Sicht der FU-Professoren nicht auf ein Erstarken rechter Parteien in Berlin schließen. „Leute mit rechtsextremen Einstellungen wählen noch lange nicht rechtsextreme Parteien“, sagt Politologe Stöss. Den Rechtsextremen mangele es an Organisation, Geld sowie einem Spitzenkandidaten, der auch auf konservative Schichten wirkt. Außerdem brauche es ein Thema, das auch so genannte Protestwähler anziehe.

Ist also in Berlin alles im grünen Bereich, was die Braunen angeht? Bei weitem nicht. Auf den zweiten Blick zeigt sich: Viele Hauptstädter denken chauvinistisch, ausländerfeindlich, sozialdarwinistisch und antisemitisch. So stimmt jeder fünfte Berliner (21 Prozent) folgender Aussage voll und ganz zu: „Andere Völker mögen Wichtiges vollbracht haben, an deutsche Leistungen reicht das aber nicht heran.“ Und 20 Prozent finden: „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die Ausländer wieder in ihre Heimat zurückschicken.“ Immerhin 13 Prozent Zustimmung gibt es unter Berlinern für den Satz: „Auch heute noch ist der Einfluss der Juden zu groß.“ Matthias Lohre