Kofi Annan erwägt seinen Rücktritt

Der zweite Bericht der Volcker-Kommission über Missmanagement bei dem Programm „Öl für Nahrungsmittel“ für Irak enthält neue Informationen über die Beziehungen des UNO-Generalsekretärs und seines Sohns zu der Schweizer Firma Cotecna

AUS GENF ANDREAS ZUMACH

UNO-Generalsekretär Kofi Annan, dessen Amtszeit Ende 2006 zu Ende geht, erwägt seinen vorzeitigen Rücktritt. Nach Aussage enger Vertrauter Annans gegenüber der taz macht der Generalsekretär seine endgültige Entscheidung abhängig von den Reaktionen auf den zweiten Untersuchungsbericht der Volcker-Kommission, der heute in New York veröffentlicht wird. Die Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Chefs der US-Notenbank, Paul Volcker, untersucht im Auftrag Annans seit April 2004 Vorwürfe des Missmanagements und der Korruption im Rahmen des Programms „Öl für Nahrungsmittel“ (ÖfN) für Irak.

Volckers zweiter Bericht, den die taz einsehen konnte, enthält deutliche Kritik an Annan sowie einige bislang unbekannte Tatsachen über die Beziehungen des UNO-Generalsekretärs und seines Sohns Kojo Annan zu der Genfer Firma Cotecna Inspektions S.A. So hatte Kofi Annan seit 1992 „mindestens vier“ Treffen mit Cotecna-Chef Robert Massey und anderen führenden Vertretern des Unternehmens. Die Firma hatte von Dezember 1998 bis Anfang 2004 einen lukrativen Vertrag mit der UNO zur Überwachung der Lieferung humanitärer Hilfsgüter in den Irak, die mit Einnahmen aus dem ÖfN-Programm finanziert wurden.

Kojo Annan war von 1995 bis Dezember 1998 bei der Cotecna angestellt. Im Herbst letzten Jahres wurde bekannt, dass die Genfer Firma dem Sohn des UNO-Generalsekretärs nach seinem Ausscheiden aus der Cotecna bis Februar 2004 noch rund 175.000 US-Dollar zahlte – angeblich als Kompensation für seine vertragliche Zusage, nicht für Konkurrenzunternehmen zu arbeiten. Laut Volcker-Bericht erhielt Kojo Annan in diesem Zeitraum tatsächlich jedoch über 300.000 Dollar. Zudem wurde ein Teil dieser Zahlungen über Tochterfirmen der Cotecna oder über die Bankkonten anderer Personen abgewickelt. Auf diese Weise wurden die Quelle (Cotecna) und/oder der letztliche Empfänger (Kojo Annan) verschleiert.

Diese Umwegfinanzierungen begannen, nachdem in einer britischen Zeitung im Januar 1999 erstmals der Verdacht geäußert wurde, es gebe eventuell einen Zusammenhang von Annans Beschäftigung bei der Cotecna und der Vergabe des Irak-Auftrags an die Firma durch die New Yorker UNO-Zentrale.

Bei seinen Treffen mit Vertretern der Cotecna sei es weder um den Irak-Auftrag der Firma gegangen noch um seinen Sohn Kojo, gab der UNO-Generalsekretär bei seiner Einvernahme durch die Volcker-Kommission zu Protokoll.

Die Treffen fanden im Januar 1997 in Davos statt, im September 1998 in Annans New Yorker Büro sowie im März 1999 in Genf. Bei der ersten Begegnung im Jahre 1992 war Annan noch nicht Generalsekretär, allerdings zuständig für die Verhandlungen mit Irak über die Finanzierung humanitärer Hilfe. Im Jahre 1992 erhielt die Cotecna einen ersten Inspektionsauftrag der UNO.

Laut Volcker-Bericht gibt es zwar „keinen Beweis“ dafür, dass Kofi Annan unzulässigen Einfluss auf die Auftragsvergabe der UNO genommen oder jemals selber finanzielle Vorteile erhalten oder auch nur angestrebt habe. Doch kritisiert die Untersuchungskommission, dass der Generalsekretär „nicht in der Lage war“, Fehlverhalten bei der Durchführung des ÖfN-Programms zu entdecken und zu korrigieren. Mit Blick auf die Beziehung seines Sohns zur Cotecna habe der Generalsekretär der Gefahr eines „Interessenkonflikts zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt“.