Im Paradies gibt es keine Marmelade

Briefe aus Bangladesch (2): Wo sich Deutsche als Popstars fühlen können – Ausflug auf eine Palmeninsel

Dieser Werbespruch würde in Deutschland nicht funktionieren: „Safe at any sea condition, Inschallah“, wirbt die Reederei Keari für ihre Fähre nach Saint Martin: bei jedem Seegang sicher, so Gott will. Mehr zu versprechen wäre für gläubige Muslime eine Provokation.

Jedes Schiff ist sicher, so Gott will; Bangladesch ist berühmt für Überschwemmungen und Fährunglücke. Doch das Meer ist ruhig und schluckt geduldig die zahllosen Plastikbecher, die die Passagiere vom Oberdeck über die Reling werfen. Drei Stunden dauert die Fahrt, vom südlichsten Zipfel Bangladeschs die Küste von Birma entlang.

Bangladesch ist nicht so berühmt für Traumstrände und Palmen – aber das gibt es: Willkommen auf Saint Martin. Anfang des Jahres ist Hochzeitssaison, und die Fähre ist voller Honigmond-Pärchen. Die meisten von ihnen bleiben nur einen halben Tag – genug, um den Strand entlangzuspazieren und im Meer zu waten. Weiter ins Wasser geht kaum jemand, und wenn, dann in langer Kleidung.

Der Tsunami im Dezember hat übrigens keine größeren Schäden angerichtet – viele Bengalen sagen: die erste Naturkatastrophe in der Region, die Bangladesch nicht getroffen hat.

Der Strand von Saint Martin ist postkartenmäßig einsam – es sei denn, man sieht europäisch aus. Da meine Frau eher dunkel ist: ich. Als Einziger.

„Hello, what’s your country?“ – sobald wir vom Boot sind, umringen uns viele kleine braune Kinder. „What’s your name“ ist die zweite Frage, und meistens ist das Gespräch danach zu Ende, aber es kommt immer wieder jemand Neues.

Das Nette daran: Die Leute wollen wirklich wissen, woher man kommt und warum man – um alles in der Welt – nach Bangladesch gekommen ist. Sie wollen nicht: Taxis, Rikschas, Hotelzimmer verkaufen. Schon, weil es auf Saint Martin weder Taxis noch Rikschas, noch Straßen gibt. Manchmal wollen sie auch ein Foto machen, und so gibt es nun eine Serie bengalischer Familienfotos mit einem bleichen, anfangs verlegenen, später lächelnden Deutschen in der Mitte. Wer sich einmal als Popstar fühlen will – hier geht das.

Beim Mittagessen kommt ein junger Pfadfinder in Uniform an unseren Tisch. Ob er mit uns reden dürfe, fragt er sehr höflich. Dann woher und what’s your name. Seinen Namen habe ich vergessen. Aber nicht, wie er neben unserem Tisch steht und immer wieder sagt: „I’m so happy to meet you / I can’t express my feelings / I’m so happy.“

Am Strand spricht uns ein Junge im roten Hemd an, etwas routinierter: „My name is coastguard.“ Später treffen wir die richtigen Küstenwächter, sechs Männer in Unterhemden. Sie sitzen vor einem kleinen Kasernenbau, trinken Tee, hören Kricket-Reportagen im Radio und schauen übers Meer Richtung Birma.

Aus Birma kommen Menschen und Bier nach Bangladesch, trotz Küstenwache. Menschen wie der 15-jährige Tom, der in einem der Fischrestaurants bedient – er verdiene dort mehr als irgendwo daheim, sagt er. Nicht, dass es teuer wäre: Frittierten Fisch gibt es für 90 Taka, das ist ein bisschen mehr als ein Euro. Geschmuggeltes birmanisches Bier gibt es auf diskrete Nachfrage für 500 Taka – fast so teuer wie ein Hotelzimmer.

Das einzige Hotel übrigens – neben einer Hand voll Palmhüttencamps – heißt „Paradise“. Zum Frühstück gibt es trockenes Toastbrot und ein Omelett. Gerne würde man sich im Paradies selbst bedienen, aber das geht nicht. Meine Frau fragt nach Marmelade. 20 Minuten später kommt noch ein Omelett und dann dieser Dialog:

„I ordered marmelade.“

„That is marmelade.“

„No, that’s an omelet.“

„Omelet – marmelade – same same.“ JOCHEN NEUMEYER

Jochen Neumeyer ist Schriftsteller und Journalist; zuletzt erschien bei Suhrkamp sein Roman „Sommerstarre“