Einfach den König umholzen

Beim Kubb-Sport, marketinggerechter auch „Wikinger-Schach“ genannt, geht es darum, mit runden und eckigen Holzklötzen andere runde und eckige Holzklötze gnadenlos umzuwerfen. Der einzige Kubb-Verein in ganz Deutschland agiert in Kreuzberg

VON AMBROS WAIBEL

Wer seine Samstagnachmittage noch faul vor dem Radio verbringen darf, kennt es: „Wir rufen Günther Koch“, schallt es erst aus dem Radio, dann wird ins Nürnberger Frankenstadion geschaltet, und bald ist, mit unverkennbarem Schmelz, nur noch die Rede von den „Clubberern“.

Daran konnte man denken, als sich Magnus Sinn, seines Zeichens Vorsitzender des ersten und einzigen eingetragenen – und wie selbstverständlich in Kreuzberg beheimateten – Kubb-Vereins Deutschlands über den Kneipentisch beugt und sanft, aber nachdrücklich bittet, seinen Sport so zu nennen, wie er heißt: Kubb – und nicht etwa vermarktungsgerechter „Wikingerschach“.

Kubb bedeutet auf Schwedisch Holzklotz. Schweden, die einst Wikinger hießen, haben es erfunden, andere Schweden, die Magnus Sinn und einige Freunde 2000 auf dem Musikfestival im dänischen Roskilde trafen, haben es ihm erklärt, es mit ihm gespielt und ihm schließlich einen Satz Klötze – in Skandinavien haben die Leute offenbar noch Geld – geschenkt. So kam Kubb nach Deutschland.

Mit der Aussprache ist es schon schwieriger: Köbb sagen die Gotländer – diese Insel ist die Heimat des Spiels. Kubb modulieren die Stockholmer mit Hauptstadtbonus; und im schon halbskandinavischen Rostock – zweite Kubb-Metropole der Republik – stellt man sozialisationsgerecht einen anderen Zusammenhang her: „Wir sind sicher“, heißt es auf der Rostocker Aktivistenseite www.Kubbaner.de, „Wikinger brachten das Kubb-Spiel vor Jahrhunderten aus der Karibik nach Skandinavien. Im Heimatland geriet es jedoch in Vergessenheit.“

Wie dem auch sei: Beim Kubb-Sport geht es darum, mit runden und eckigen Holzklötzen andere runde und eckige Holzklötze umzuwerfen, die auf einem etwa acht Meter langen und fünf Meter breiten Raum verteilt sind. Dieses – in Größe und gewähltem Untergrund (Gras, Schnee, Eis) durchaus variable Spielfeld – wird durch eine Mittellinie geteilt, auf welcher ein bekrönter Klotz steht, der König. An den Grundlinien stehen sich zwei Teams von einem bis sechs Menschen gegenüber. Sind die in der gegnerischen Hälfte platzierten Klötze umgeworfen, wird zuletzt der König angepeilt. Und wenn er getroffen ist, ist das Spiel gewonnen.

Was so simpel klingt, wird durch diverse Zusatzregeln erschwert, sodass eine Partie schon mal zwei Stunden dauert. Hat man einen Unglücksraben dabei, der oder die den König stürzt, bevor alle Klötze liegen, hat das Team verloren, und der Teamchef muss sich ins Privatleben zurückziehen, ohne Pensionsanspruch, aber mit der Hoffnung auf Revanche.

Denn, um endlich das Wichtigste zu Kubb zu sagen: Es ist ein sehr lustiges Spiel, mit einem zudem hohen Kennenlernfaktor. Selbst im Görlitzer Park, in dem man ja nun nicht unbedingt damit rechnet, jemanden zu treffen, der noch nicht alles gesehen hat, stellen die Passanten ihre Getränkedosen ab, die allmächtigen Hunde werden bei Fuß gerufen. Man guckt und lauscht – was sicher auch damit zu tun hat, dass die Berliner Kubberer sympathische und trash-talk-geübte Mittdreißiger sind, die, auch ohne dem unter offenem und sonnigem Himmel ziemlich bald sich einstellenden Bierdurst nachzugeben, gut gelaunt sind.

Ein potenzielles Missverständnis gilt es allerdings auszuräumen: Die handlichen, geölten und an den Kanten abgerundeten Kubbs werden nicht unkontrolliert durch die Gegend geballert, sondern mit Boule-Eleganz locker aus dem Handgelenk entlassen. Kubb ist kein Sport für wild gewordene Schrumpfgermanen, die Verletzungsgefahr beschränkt sich auf von der Vereinsstatistik nicht erfasste Platzwunden am Schienbein.

Der gesamtdeutsche Meister Kubbsport Berlin e. V. verwendet eigens vom Tischler angefertigte Buchenklötze. In Schweden gibt es das Gerät laut Pressesprecherin Swantje an jeder Tankstelle, als eben „Wikingerschach“ findet man es hierzulande inzwischen in allen gut ausgestatteten Spiel- und Sportläden.

Egal ob organisiert oder frisch zusammengefunden, ob mit Birke (splitteranfällig), Buche oder Eiche (im Verein umstritten): Die Kubberer trifft man zum Zuschauen und – nach Absolvierung eines umfassenden Persönlichkeitstests – zum Mitspielen an lauen Nachmittagen im Victoriapark. Die seit 2001 abgehaltenen Berliner Kubbmeisterschaften sind offen, werden aber traditionsgemäß vom Vorsitzenden-Team „Die drei Kümmerlinge“ aus dem inzwischen zweiunddreißig Mitglieder starken Kubbsport Berlin beherrscht. Im vergangenen Jahr reisten Holzklotz-Liebhaber aus ganz Deutschland an – vielleicht sind heuer auch ein paar echte Clubberer dabei.

www.kubbsport.de