Rot-Grün schafft 2-Millionen-Euro-Jobs

Wenn die Regierung das Abwehrsystem Meads bauen lässt, schafft sie 450 Jobs. Die allerdings müsste der Staat mit viel Geld fördern, sagt der Bundesrechnungshof. Und US-Technologie bekommt die deutsche Industrie auch nicht

BERLIN taz Der rot-grüne Streit über das Raketenabwehrsystem Meads (Medium Extended Air Defense System) geht in seine entscheidende Phase. Unmittelbar nach der Osterpause soll die deutsche Beteiligung an dem Milliardenprojekt ein Hauptthema bei Gesprächen zwischen den Fraktionsspitzen der Koalition sein. Im Zentrum der Auseinandersetzung werden dabei die Bedenken des Bundesrechnungshofes an Meads stehen.

In einem der taz vorliegenden vertraulichen Bericht an den Haushaltsausschuss des Bundestages („VS – nur für den Dienstgebrauch“) bemängelt der Rechnungshof insbesondere, dass die – bislang nicht öffentlich gemachten – Vertragsentwürfe zu Meads einen relevanten deutschen Zugang zu US-Technologie nicht zulassen. Die Bonner Haushaltsprüfer stellen sich damit gegen frühere Darstellungen aus Regierung und Industrie, in denen von einem für Deutschland vorteilhaften Technologietransfer die Rede war.

Insbesondere eine Vorlage des Verteidigungsministeriums aus dem letzten Jahr, auf deren Basis der Verteidigungsausschuss eine Empfehlung zu Meads aussprach, erscheint jetzt in Teilen irreführend. Denn nach Angaben des Rechnungshofs gibt es „erhebliche Sicherheitsrestriktionen“, die von den USA in einer speziellen „Technologiefreigabevereinbarung“ festgeschrieben wurden. Die Software des Meads-Radarsystems müsse komplett in den USA gefertigt und geprüft werden. Bei den Sende- und Empfangselementen des Radars sei eine „gemeinsame Entwicklung der US- mit den europäischen Firmen“ sogar „ausdrücklich ausgeschlossen“.

Im Gegensatz dazu hieß es in der ministeriellen Vorlage an den Verteidigungsausschuss, die Vereinbarungen sicherten „der deutschen Industrie wesentliche, technologisch anspruchsvolle Arbeitspakete“ beim Multifunktionsradar und bei der Softwareentwicklung.

Zu dem von den USA geliefertem Abfangflugkörper PAC-3, dem zentralen Element des Systems, wird laut Rechnungshof „keine Hintergrundinformation“ zur Verfügung gestellt. Für den Fall, dass doch noch eine gemeinsame Produktion des Meads-Flugkörpers beschlossen werden sollte, behalten sich die USA zudem die „Entscheidung vor, ob dort auch Suchkopf und die Lenkprozessoren produziert werden dürfen“. In jedem Fall könne „ausschließlich US-Personal“ die Flugkörper prüfen – auch bei Fertigung in Europa.

Auch den Nutzen des Rüstungsprojekts für andere Industriezweige schätzt der Rechnungshof als äußerst gering ein. Die von den deutschen Vertragspartnern zu entwickelnde Technologie sei „sehr speziell und kaum für einen Technologietransfer in andere Wirtschaftsbereiche geeignet.“ Würden durch Meads wie angekündigt 450 Stellen geschaffen, wäre dies gemessen allein an den Entwicklungskosten, eine staatliche Finanzierung von „rund 2 Mio. Euro pro Arbeitsplatz“.

Geht es nach den Meads-Befürwortern soll der Haushaltsausschuss am 13. oder 20. April die Mittel für die Entwicklungsphase des Raketenabwehrsystems über 995 Millionen Euro freigegeben. Die Gesamtkosten veranschlagt der Rechnungshof auf rund 6 Milliarden Euro. Das Verteidigungsressort ging in seiner Vorlage für den Wehrausschuss dagegen davon aus, dass die Ausgaben für Meads „unterhalb einer Kostenobergrenze von 4 Milliarden Dollar“, also bei etwa 3 Milliarden Euro liegen werden. Ein ministeriales Schlupfloch wurde aber vorsorglich eingebaut: Diese Schätzung, so die Vorlage aus dem Wehrressort, habe eine „Wahrscheinlichkeit von 90 Prozent“.

ERIC CHAUVISTRÉ