„Wir sind nicht der Abfall von VW“

Nach erfolglosen Tarifverhandlungen gehen die Arbeiter der tschechischen VW-Tochter auf die Straße. Trotz Rekordgewinn 2004 muss Škoda weiter sparen. Firmenleitung will nur 2,8 Prozent mehr Lohn zahlen, nicht 10, wie die Gewerkschaft fordert

AUS PRAG ULRIKE BRAUN

Nun ist der Arbeitskampf beim drittältesten Autobauer der Welt eskaliert: Mit einem dreistündigen Warnstreik demonstrierten am Mittwoch 12.000 der 23.000 Beschäftigen von Škoda für höhere Löhne. Im Stammsitz Mlada Boleslav wurden gestern die Tarifverhandlungen zwar wieder aufgenommen. Doch die Zeichen stehen auf Streik.

Zum Protest entschlossen sich die Gewerkschaften, nachdem es ihnen in wochenlangen Verhandlungen nicht gelungen war, sich mit der Führung der VW-Tochter auf einen neuen Tarifvertrag zu einigen. Die Gewerkschaft fordert 10 Prozent mehr Lohn, die Firmenführung will aber nur um 2,8 Prozent erhöhen. „Wir erwägen einen eintägigen oder sogar dreitägigen Streik“, drohte Gewerkschaftssprecher Jaromir Cvrcek.

Der Warnstreik am Mittwoch war der überhaupt erste Streik seit der Übernahme durch VW. Beim letztjährigen Rekordgewinn von 3,5 Milliarden Kronen, so die Gewerkschaften, könne Škoda seinen Arbeitern gefälligst eine Lohnerhöhung gönnen. Die Firmenleitung hingegen verweist auf das von VW auferlegte Sparprogramm „ForMotion“, nach dem die tschechische Tochter 2005 sechs Milliarden Kronen einsparen soll. Und das obwohl Škoda vor kurzem VW eine Dividende in Höhe von 1,48 Milliarden Kronen ausgezahlt hat.

„Weil sie in Deutschland Probleme haben, sollen wir leiden“, schimpfen die Škoda-Arbeiter. „Wir sind keine deutsche Kolonie“! oder „Wir sind nicht der Abfall von Volkswagen“. Der tschechische Gewerkschaftsbund CMKOS steht voll hinter den Forderungen der Škoda-Werker. „Demonstration und Streik sind völlig berechtigt. Škoda hat im Vergleich zu 2003 seinen Gewinn mehr als verdoppelt und gehört unseren Informationen nach zu den erfolgreichsten Unternehmen im ganzen VW-Konzern“, erklärte der Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes, Milan Stecha.

Ein Vorteil von Škoda Auto, das im Jahre 2002 zu 100 Prozent von VW übernommen wurde, sind sicherlich die niedrigen Tarife im Billiglohnland Tschechien. Im Durchschnitt verdient ein Arbeiter nach Gewerkschaftsangaben 16.000 Kronen (530 Euro) im Monat. „Es ist nicht möglich eine Niedriglohnpolitik als dauernden Konkurrenzvorteil zu erhalten“, sagte Stecha. Er und seine Gewerkschaft hättenden Verdacht, VW würde die Probleme in anderen Werken in die Lohn- und Personalpolitik auf Škoda übertragen: „Ich glaube nicht, dass sich das die Beschäftigten gefallen lassen. Und wir müssen sie dabei unterstützen.“

Der alte Tarifvertrag lief am 31. März aus. Kompliziert sind die gestern wieder aufgenommenen Verhandlungen auch deshalb, weil sich die Gewerkschafter einen Rückzieher kaum noch leisten können. Ein eintägiger Streik würde Škoda allerdings teuer zu stehen kommen. Der nur dreistündige Streik am Mittwoch hatte Škoda ungefähr 75 Millionen Kronen gekostet. Stünden die Bänder einen ganzen Tag still, läge der Ausfall schon bei 1.868 Wagen, der täglichen Durchschnittsproduktion.