Internet-Provider vor Gericht

Nordrhein-Westfälische Anbieter müssen rechtsextreme Websites sperren, auch wenn sie auf Inhalte keinerlei Einfluss haben. Dabei kursieren bereits Anleitungen, wie die Sperrungen zu umgehen sind

VON ELMAR KOK

Nordrhein-Westfalens Internet–unternehmen bekommen weitere Schwierigkeiten: Das Verwaltungsgericht Köln gab Ende vergangener Woche bekannt, dass die Klage eines Kölner Providers gegen die Sperrungsanordnung zurückgewiesen worden sei. Der Streit um die Sperrungen von Zugängen zu Internetseiten dauert damit nun schon drei Jahre an. Wahrscheinlich ist, dass das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Münster weiter juristisch ausgefochten wird.

Die Bezirksregierung Düsseldorf hatte 2002 verlangt, dass 80 nordrhein-westfälische Provider den Zugang zu zwei Internetseiten sperren, deren zum Teil rechtsextreme Inhalte auf US-amerikanischen Rechnern liegen und die auch von US-Bürgern redaktionell verfasst werden. Gegen diese Verfügung sperren sich die Dienstleister, die von NRW aus Zugänge für Bürger ins Internet anbieten, da sie den Aufwand, den die Sperrungen nach sich ziehen, nicht tragen wollen: Sie dürften nicht für Webseiten verantwortlich gemacht werden, die in anderen Ländern erlaubt sind. Zudem werde es nicht bei den Sperrungen des zwei Seiten bleiben, mutmaßen die Betroffenen. Denn da sich das Netz ständig verändere, droht den Unternehmen die Dauerbeschäftigung von Technikern, die überprüfen müssten, welche neuen Seiten mit nicht NRW-konformen Inhalten gerade im Ausland wieder neu auftauchen.

Nach dem Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ist seit April vergangenen Jahres nicht mehr die Bezirksregierung Düsseldorf „vollziehende Anstalt“ für die Sperrungsverfügungen, sondern die Landesanstalt für Medien (LfM). „Wir bleiben in der Sache auf jeden Fall am Ball“, sagt deren Sprecher Peter Widlok. Die LfM wird die Sperrungen also mit der gleichen Intensität weiterverfolgen wie seinerzeit die Düsseldorfer Bezirksregierung. Auch die Betreiber von Suchmaschinen habe seine Behörde schon versucht, für das Thema zu sensibilisieren, sagt Widlok.

Der Verband der deutschen Internetwirtschaft, Eco, warnt vor einem Präzedenz-Fall. „Die LfM vertritt in dieser Sache die Kommission für Jugendmedienschutz“, sagt Hannah Seiffert, Rechtsanwältin des Verbandes. Die Sperrungsverfügungen seien ein Test für einen bundesweiten Erlass, so die Anwältin. Sollten die Sperrungen letztinstanzlich bestehen bleiben, warnt sie, drohen der Internetwirtschaft erhebliche Probleme. Denn kleinere Unternehmen, die zwar Kunden einen Zugang zum Internet anbieten, aber selbst keine Computer haben, die die Namensverwaltungen von Internetseiten regeln, müssten dann ganze Bereiche des Netzes für die Kunden sperren. So teilt sich die Webseite des bekennenden US-Nazis Gary Lauck mit 3.000 anderen nicht faschistischen Internetseiten eine so genannte „Internet Protocol“-Adresse. Sollte Laucks Web-Auftritt gesperrt werden, würden in diesem Fall 3.000 andere Internetseiten aus NRWs Netz verschwinden.

Irritationen lösen die Sperrungen der Seiten auch bei Internet-Nutzern aus, die einen nordrhein-westfälischen Zugangs-Dienstleister haben, aber in anderen Bundesländern wohnen. Denn dort gibt es keine Verfügungen diese Seiten zu sperren, sie sind dann aber trotzdem nicht erreichbar. Seiffert berichtet von einem Kunden, der über das Internet zum Thema Rechtsextremismus recherchieren wollte, aber statt der Nazi-Seite, die Informationsseite zu Sperrungen des Verbandes Eco angezeigt bekam. „Die Provider müssen natürlich aufklären, warum die Seiten nicht erreichbar sind“, sagt Seiffert.

Seiffert, die für den Verband der Internetwirtschaft auch Lobbyarbeit in Berlin macht, sagt, der Streit um die Sperrungen sei eine sehr emotional geführte Debatte, die an der Lebenswirklichkeit der Benutzer völlig vorbei gehe. „Ich bin noch nie zufällig auf einer nationalsozialistischen Seite gelandet.“ Und Menschen, die sich aktiv um Zugang zu solchen Inhalten bemühten, bekämen ihn auch. Tatsächlich kursieren Anleitungen zum Umgehen der Sperrungen im Netz. Letztlich zeigten die Bemühungen der nordrhein-westfälischen Behörden, dass die Bundesrepublik vor den rechtsradikalen Inhalten des Mediums Internet Angst habe, findet Seiffert. „Ein wehrhafter Staat könnte es sich leisten, mit der Herausforderung Rechtsradikalismus im Internet anders umzugehen.“