Keine Erntehilfe für Clement

Heinrich Alt, Vizechef der Bundesagentur für Arbeit, will Arbeitslose zum Ernteeinsatz zwingen. Doch Bauernverbände und Gewerkschaften halten davon rein gar nichts. SPD-Landeschef sprachlos

VON ANDREAS WYPUTTA

Der Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) produziert Überschriften, doch Bernhard Lütke Entrup, Sprecher des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbands (WLV), bleibt skeptisch: Nordrhein-Westfalens Bauern halten wenig von der Idee, Langzeitarbeitslose durch immer mehr Druck zu einer Arbeit als Erntehelfer zu verpflichten. Gerade für ältere Langzeitarbeitslose seien die harten Jobs kaum geeignet: „Ich würde mir das selbst nicht über Wochen zutrauen“, sagt Lütke Entrup. „Wir brauchen Leute mit Kondition, die höchsten 40 sind“ – schließlich müsse beim Spargelstechen, bei der Erdbeer- und Gurkenernte mindestens vier Wochen jeden Tag gearbeitet werden.

Heinrich Alt, Vize-Chef der Clement unterstellten Bundesagentur für Arbeit, schert das wenig: Verzweifelt versucht Alt, die Arbeitslosenzahlen aufzuhübschen. Bundesweit 870.000 Arbeitsgenehmigungen habe seine Behörde im vergangenen Jahr an Ausländer erteilen müssen, klagt er im Focus. Schon ein „Riesenerfolg“ sei es, „vielleicht die Hälfte dieser Arbeitsgenehmigungen nicht mehr erteilen zu müssen“. Auch sein Chef Clement macht weiter Druck auf die Arbeitssuchenden: Deren Mobilität und Flexibilität ließen zu wünschen übrig, befand der Minister – und hob mit großer Delegation zu einem China-Besuch ab.

Was Clement und Alt verschweigen: Die kurzzeitige Feldarbeit ist nicht existenzsichernd. Der Stundenlohn beträgt gerade fünf Euro und 17 Cent, kann nur durch Akkord und Prämien verdoppelt werden. Der Monatslohn beträgt 1.000 bis maximal 1.500 Euro brutto. Außerdem müssen von dem Nettoverdienst von zum Teil weniger als 1.000 Euro auch noch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung von bis zu 300 Euro abgezogen werden – wenn es schlecht läuft, bleiben Feldarbeiterinnen und Feldarbeitern ein Nettolohn von weniger als 700 Euro.

Nordrhein-Westfalens Landwirte setzen deshalb lieber auf Saisonkräfte aus Osteuropa, vor allem aus Polen. „Die sind zuverlässig, kennen die Arbeitsabläufe in den Betrieben“, sagt WLV-Sprecher Lütke Entrup. Doch selbst für die Osteuropäer dürften sich die Jobs kaum noch lohnen: Mit der europäischen Einigung werden auch für sie künftig Sozialbeiträge fällig, warnt die Vereinigung der niedersächsischen Spargelbauern bereits.

Protest kommt auch von den Gewerkschaften. „Auch Langzeitarbeitslose haben ein Recht auf Angebote, die eine Integration in den regulären Arbeitsmarkt sicherstellt“, sagt Nicola Hirsch vom nordrhein-westfälischen DGB. Die oft nur sechs Wochen nachgefragten Saison-Jobs seien „angesichts der Job-Misere nur ein Strohhalm, an dem man sich klammert“. Ohne neue Arbeitsplätze laufe das gesamte Hartz-Konzept ins Leere, nütze auch eine verbesserte Vermittlung durch die Arbeitsverwaltung nichts, meint die Gewerkschafterin: „Wir brauchen keine neuen Vorschläge. Wir brauchen neue Jobs, innovative Produkte, neue Märkte.“

Barbara Steffens, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Landtagsfraktion, sieht das genauso. „Diese Diskussion haben wir doch jedes Jahr“, sagt Steffens. „Alte, gescheiterte Ideen werden durch Wiederholung nicht besser“ – auf Clements immer neue, wenig durchdachten Vorstöße reagiert die Grüne nur noch genervt. Wenig begeistert dürfte auch Clements Parteifreund und Harald Schartau sein. Offiziell war Nordrhein-Westfalens Minister für Wirtschaft und Arbeit gestern den ganzen Tag über nicht zu erreichen. Der SPD-Landeschef habe „wenig Lust, die Sache zu kommentieren“, war aus seinem Umfeld zu hören – Clements Beschimpfungen dürften gerade arbeitslose und von Arbeitslosigkeit bedrohte Stammwähler weiter vergraulen. Dabei will die SPD bei der Landtagswahl am 22. Mai gerade die mobilisieren (siehe unten).

Die NRW-Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit dagegen setzt in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit auch auf die Billig-Jobs. „Die Kunden sollen das machen“, sagt Herbert Janz, beim ehemaligen Landesarbeitsamt Fachbereichsleiter für Arbeitsintegration: „Für potenzielle Arbeitgeber ist das ein Zeichen, dass die Leute arbeiten sollen.“