Druck rechter Christen auf den US-Senat steigt

Im US-Kongress nähert sich der Streit um konservative Richternominierungen seinem Höhepunkt. Der Fall der Komapatientin Terri Schiavo hat die Debatte auch emotional weiter angeheizt. Die Republikaner sind gespalten

WASHINGTON taz ■ Im US-Kongress liegen die Nerven blank. Ein erbitterter Streit um Richternominierungen nähert sich seinem Höhepunkt. Die Parlamentarier, zurück aus dem Osterurlaub in gereizter Atmosphäre nach dem beispiellosen Manöver der Republikaner vor zwei Wochen, aus ideologisch-taktischen Motiven im Fall der Komapatientin Terri Schiavo zu intervenieren, sollen diese Woche erneut über Präsident Bushs Vorschläge für vakante Richterposten entscheiden. Die Demokraten haben in den vergangenen zwei Jahren einige Kandidaten Bushs, die sie als zu konservativ betrachten, blockiert. Dazu nutzten sie vor allem das als „Filibuster“ bekannte Blockadeverfahren, eine Debatte im Senat absichtlich zu verzögern, um eine Abstimmung zu verhindern. Nach den Senatsregeln kann kein Votum erzwungen werden, solange die Debatte über eine anstehende Entscheidung nicht beendet ist. Die Prozedur kann nur mit 60 von den 100 Stimmen im Senat gestoppt werden – ein unwahrscheinliches Unterfangen, verfügen die Republikaner nur über 55 Sitze.

Deren Führungsriege um Fraktionschef Bill Frist droht nun damit, diese Blockademöglichkeit speziell für Richter-Entscheidungen abzuschaffen. Um die Änderung durch den Senat zu boxen, benötigen die Republikaner wiederum mindestens 50 Stimmen. Doch die sind nicht sicher, denn für den Fall, dass die Republikaner mit ihrem Plan Erfolg haben, drohen die Demokraten wiederum mit der „nuklearen Option“, was im Jargon des Hauses so viel heißt, dass die gesamte Arbeit im Senat zum Stillstand kommt.

Diese Aussicht, die Bushs Agenda in diesem Jahr völlig zum Entgleisen bringen könnte, lässt vor allem moderate Republikaner nervös werden. Senatoren wie John McCain oder Arlen Specter, Vorsitzender des Rechtsausschusses, haben bereits angekündigt, die Regeln nicht ändern zu wollen. Sie wissen, dass der Schritt sie dereinst selbst treffen könnte, wenn sich die Machtverhältnisse im Kongress ändern sollten.

Die Hardliner schreckt solch zukünftiges Szenario jedoch nicht. Sie wollen jetzt die Weichen für eine konservative Dominanz im Justizwesen stellen, koste es, was es wolle. Vor allem wollen sie sich die Chance nicht entgehen lassen, eine dieses Jahr möglicherweise frei werdende Richterbank im Obersten Gerichtshof nach ihrem Wunsch neu zu besetzen. Schließlich könnte der krebskranke Verfassungshüter William Rehnquist bald seinen Dienst quittieren.

Angesichts des zu erwartenden „Showdowns“ im Senat erhöhen rechte und christliche Gruppen massiv den Druck gegen die „Tyrannei der Gerichte“. „Die Botschaft an die Republikaner lautet: Es ist Zeit zu handeln“, mahnt der konservative Vordenker Gary Bauer. Und Tony Perkins vom Family Research Council fordert: „Wir brauchen mehr konservative Richter.“ Diese, so die Hoffnung, werden bei zukünftigen Entscheidungen in Sachen Abtreibung, Homoehe oder Sterbehilfe in ihrem Sinne urteilen.

204 von insgesamt 214 Bush-Nominierungen hat die Opposition abgesegnet. Für Kritiker entbehrt das Verhalten der Republikaner daher jeder Verhältnismäßigkeit. In ihren Augen treibt die Republikaner allein blinde Ideologie. Die Niederlage im Fall Schiavo haben sie zudem nur schwer verwunden. Vor allem der Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Tom DeLay, machte sich zum Wortführer einer giftigen Richterschelte und drohte, es „komme die Zeit“, da sich die Richter für ihr Verhalten verantworten müssten.

Die Einschüchterungsversuche wurden von der Presse einhellig verurteilt. „Eine unverantwortliche Respektlosigkeit“, wetterte die Washington Post. Selbst das konservative Wall Street Journal bescheinigte DeLay, den Bogen überspannt zu haben.

Die aggressive Skrupellosigkeit des Duos Frist und DeLay und eine verprellte Öffentlichkeit, die wenig Verständnis für ihr Verhalten hat, stellen die republikanische Partei erstmals in Bushs Amtszeit vor eine Zerreißprobe. Viele moderate Kräfte distanzieren sich und warnen vor einem Abdriften nach rechts, das Wähler der Mitte verschrecken könnte. So warf Exsenator John Danforth, kurzzeitig UN-Botschafter der Bush-Regierung, in einem Kommentar für die New York Times seinen Parteifreunden vor, „sich in einen Erfüllungsgehilfen der christlichen Rechten verwandelt zu haben“.

MICHAEL STRECK