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: Staatsanwälte küsst man doch

Wo hört die Meinungsfreiheit auf? Und wo beginnt die Volksverhetzung? Die Hamburger Staatsanwaltschaft hat entschieden, dass die Verwendung des Begriffs „Bomben-Holocaust“ nicht strafwürdig ist. Dafür sei ihr an dieser Stelle gedankt. Denn damit hat die Justiz nicht nur die Meinungsfreiheit gestärkt, sie hat auch den Neonazis von der NPD eine bittere Niederlage bereitet.

KOMMENTAR VON KLAUS HILLENBRAND

Wie das? Die Protagonisten dieser Partei fallen in aller Regel nicht durch intelligente Äußerungen auf. Sie legen es stattdessen darauf an, mit immer neuen verbalen Regelverletzungen Skandale zu provozieren. „Bomben-Holocaust“, geäußert im Sächsischen Landtag zu Dresden, war so ein Fall. Er hat der NPD bis zu diesem Wochenende genau das beschert, was sie sich sehnlichst gewünscht hatte: große Empörung, Diskussionen über ein Verbot der Partei, Rufe nach strafrechtlichen Konsequenzen – aber keine inhaltliche Auseinandersetzung, denn bei der hätte die NPD nur verlieren können.

Damit wir uns richtig verstehen: Das Wort vom „Bomben-Holocaust“ ist nicht nur widerlich und ahistorisch, es beleidigt auch die Opfer der NS-Herrschaft. Doch der Mechanismus öffentlicher Reaktionen hat eben nicht den Begriff ad absurdum geführt, sondern deren Erfindern auch noch genutzt, die sich fortan, bedroht von den Keulen der Staatsmacht, als Unschuld vom Lande gerieren konnten, die endlich einmal ausgesprochen hätten, was sonst niemand zu sagen wage. Noch schöner wäre die Angelegenheit für die neuen Nazis nur noch geworden, wenn sie wegen dieses idiotischen Worts vor den Kadi gekommen wären.

Doch die Justiz hat das Spielchen der NPD schlicht, aber wirkungsvoll beendet. Sie könnte damit zum Vorbild für die Politik werden, die an dem Skandal nicht völlig unschuldig ist. Denn noch vor dem Spruch vom „Bomben-Holocaust“ stand dessen Anlass: eine Gedenkveranstaltung für die Opfer der NS-Gewaltherrschaft. Die damit verbundene Vorstellung, der bestialisch ermordeten jüdischen Opfer wie der unglücklicherweise im Bombenkrieg getöteten nichtjüdischen Deutschen quasi in einem Aufwasch gedenken zu können, zeugt von einem bemerkenswert schlichten Geschichtsbild. Das Motto impliziert die Vergleichbarkeit des Unvergleichbaren.

Nicht nur über die NPD-Neonazis bedarf es einer Diskussion ohne Schaum vor dem Mund. Sondern bisweilen auch über die eingefahrenen Rituale deutschen Gedenkens.