Radikalkur soll berufliche Reha retten

Drastischer Stellenabbau beim Hamburger Berufsförderungswerk: Nach Umsatzeinbruch verliert die halbe Belegschaft ihren Job. Auslöser der Krise ist starker Kundenschwund. Arbeitsagentur und Rentenversicherer bewilligen immer weniger Reha

von Eva Weikert

In Norddeutschland ist die berufliche Wiedereingliederung von Behinderten massiv bedroht: Das Berufsförderungswerk (BFW) Hamburg ist in eine schwere Krise geraten und muss darum die Hälfte seiner Belegschaft entlassen. Die meisten der betroffenen 300 Mitarbeiter sollen noch in diesem Jahr gehen. Die „drastische Maßnahme“ sei notwendig, um den Bestand des Werkes zu sichern, sagte BFW-Geschäftsführerin Elke Herrmann gestern im Hauptsitz in Farmsen: „Stark sinkende Teilnehmerzahlen zwingen zum raschen Handeln.“ Die Arbeitsagentur und die Rentenversicherer schickten immer weniger Kunden.

Der Umsatz des BFW ist 2004 eingebrochen. Während der Anbieter von beruflicher Reha 2003 noch 57 Millionen Euro umsetzte, waren es zuletzt nur noch 39 Millionen. Dies entspricht einem Minus von 30 Prozent. Für die Zukunft erwartet die Unternehmensleitung einen Rückgang um weitere 15 Prozent. So starteten etwa zum jüngsten Reha-Vorbereitungslehrgang nur 150 der erwarteten 250 Teilnehmer.

Der Abbau von 300 der 600 vollen Stellen im Werk „tut weh“, so Herrmann. Betriebsrat Gerd Labusch berichtete, die Stimmung in der Belegschaft sei „am unteren Limit. Alle fürchten um ihren Job.“ Ab Mai will die Leitung mit dem Betriebsrat verhandeln, „um eine sozialverträgliche Lösung für die Betroffenen zu erreichen“, kündigte Herrmann an. Die meisten Beschäftigten würden im Ausbildungssektor entlassen. Zugleich erwäge das BFW, Flächen abzugeben. So verfüge das Werk mit 1.200 Internatszimmern über ein „Bildungshotel“ in der Stadt, das vermarktet werden könne. Die drei Zweigstellen außerhalb Hamburgs „bleiben aber erhalten“, versicherte Rolf Tretow von der Unternehmensleitung. „Wohnortnahes Angebot ist uns sehr wichtig.“ In der Stadt selbst hingegen würden Filialen aufgelöst.

Während 2003 noch 2.000 Menschen in einem Ausbildungsgang des BFW einen Kammerabschluss anstrebten, sind es heute nur noch 1.400. Allein die Belegung von Kurzeitmaßnahmen wie Trainings und Praktika blieb mit 500 konstant. Arbeitsagentur und Rentenversicherungen erteilten für die aufwendigeren Angebote immer weniger Aufträge, so Tretow, unter anderem mit der Begründung, es gingen weniger Anträge ein. „Die Menschen wagen keine Reha zu beanspruchen in Zeiten von Massenarbeitslosigkeit“, meinte der Manager.

Doch zugleich erwarteten die Träger eine „deutliche Preissenkung“ vom BFW. Für sie laute der Trend „kürzer und kostengünstiger“. Das BFW werde darum bei den Ausbildungsberufen die Platzzahl bis 2007 auf 1.100 reduzieren. Dabei haben, wie Betriebsrat Labusch warnte, wissenschaftliche Studien erwiesen, dass Kurzzeitmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt keine Nachhaltigkeit bieten.

Billigere Konkurrenz machen die Weiterbildungsträger, die durch massive Kürzungen der Arbeitsagentur in der beruflichen Bildung auf den Reha-Markt ausgewichen sind. Das BFW sei aber auf dem freien Markt nicht konkurrenzfähig, erklärt Mitarbeitervertreter Labusch. Die Ausbildungsgänge im Werk seien teurer, weil spezielle Hilfen etwa durch Psychologen, Ärzte, Sozialarbeiter und Sportlehrer mit im Angebot sind. „Unser Auftrag lautet, behinderten Menschen die Teilhabe am Arbeitsmarkt zu ermöglichen“, so Chefin Herrmann, wofür besondere Begleitung nötig sei: „Unklar ist aber, ob es diesen sozialpolitischen Auftrag noch gibt.“