„Erinnerungskultur ist nicht nur Camouflage“

INTERVIEW JAN FEDDERSEN
UND STEFAN REINECKE

taz: Herr Reemtsma, die Formel, mit der das Verhältnis der Bundesrepublik zur Nazivergangenheit meist beschrieben wird, lautet „Nicht Schuld, aber Verantwortung“. Sie nennen diesen Satz eine Aporieformel, also eine Verlegenheitsformel: Was besagt sie – und was nicht?

Jan Philipp Reemtsma: Sie ist Ausdruck einer tatsächlichen Ratlosigkeit – und sie versucht sie einzukleiden. Zunächst wird mit dieser Formel eine Trivialität rhetorisch aufgepulvert, nämlich dass jemand, der persönlich kein Verbrechen begangen hat und auch kein Mittäter war, keine Schuld trägt.

Okay. Was aber meint dann Verantwortung?

Wenn man Bürger eines Landes wird, tritt man gewissermaßen in eine Hypothek ein. Dann wird man Teil seiner Geschichte und hat mit ihr etwas zu tun. Aber das ist alles relativ vage.

Wie diese Aporieformel ja überhaupt vage ist.

Sie ist dazu da, vage zu sein. Trotzdem wissen wir, was mit der Formel gemeint ist: dass man nicht beschließen kann, mit der Geschichte seines Landes nichts zu tun zu haben, auch wenn man auf einer Demonstration „Nie wieder Deutschland“ ruft. Man hat den Pass, spricht die Sprache, erhält seine Sozialleistungen et cetera.

Und was folgt geschichtspolitisch daraus?

Irgendwas.

Geht es bitte auch genauer?

Nein. Ich sage bewusst: irgendwas. Die Formel von „Nicht Schuld, aber Verantwortung“ bedeutet, dass man immer mal wieder zeigen muss, dass man sich der Tatsache bewusst ist, dass aus ihr „irgendetwas“ folgt.

Es bleibt unklar, was aus ihr folgen soll.

Die Aporieformel ist dazu da, es offen zu lassen. Ginge es um Schuld, ginge es um eine klare Relation von begangener Tat und dem, was man dann schuldig ist. Die Aporieformel redet von Verantwortung und sagt nur: „Du musst etwas tun, und das musst du tun, um zu zeigen, dass du weißt, dass du etwas tun musst, aber es bleibt offen, was das ist.“

Das ist allzu deutungsoffen.

Na ja, es kommt darauf an, was man will. Interessant ist doch, dass es meistens funktioniert. Es ist damit getan, dass diese Formel gesagt wird und es einen gewissen Konsens gibt, dass sich alle so verhalten, wie es diese Formel will.

Peter Eisenman hat auf die Frage, was man sich beim Holocaustmahnmal denken solle, geantwortet, was man wolle. Ist es das, was Sie beschreiben?

Das Holocaustmahnmal nenne ich eine betongewordene Aporieformel – eine der Erinnerung. Sie wird dem Imperativ gerecht „Du sollst erinnern“. Aber wie? Und zu welchem Ende? Auch das muss offen bleiben.

Auch, was erinnert werden soll?

Nein: was „erinnern“ bedeuten soll. Aber auch diese Vagheit ist nicht aufzulösen. Jeder, der dieses Mahnmal kritisiert, der ist im Grunde mit der Aporieformel nicht zufrieden, und sagt: dass müsste eigentlich klarer sein. Aber es sollte nicht, und insofern ist das im Grunde perfekt.

Ein Gefäß, auf das niemals ein Deckel passen könnte.

Aber wichtig ist das eine: Die Aporieformel schließt nichts ab. Man sagt nicht: „Und der Verantwortung sind wir jetzt gerecht geworden. Und damit, dass das Holocaustmahnmal steht, ist es jetzt auch gut.“ Man muss da hingehen, man muss sich damit beschäftigen. Es gehört zur Aporieformel, dass sie sich selbst und mit sich selbst auch das Thema in der Öffentlichkeit hält.

Keine Frage, dass der Begriff der Verantwortung intellektuell unscharf sein muss. Aber Verantwortung ist doch kein leerer Wahn.

Generell nicht, nein.

Für das Selbstverständnis der Bundesrepublik hat das eine schroffe Abkehr bedeutet von allem, was mit dem Nationalsozialismus zu tun hatte. Ein Selbstverständnis als eher zivile Großmacht, zum Beispiel. Und das sind doch Konsequenzen, die aus dem Nationalsozialismus gezogen wurden.

Historisch gibt es einen Zusammenhang, natürlich. Aber man kann für eine Demokratie, einen Rechtsstaat, ein militärisch eher gering interessiertes Land argumentieren – ohne auch nur einen einzigen Gedanken an den Nationalsozialismus zu verschwenden. Die Gründe dafür resultieren ja nicht aus der Geschichte von 1933 bis 1945. Jemand könnte eine Vorlesung über die Verfassung der Bundesrepublik halten, ohne das Thema Nationalsozialismus auch nur zu erwähnen. Das kann man tun. Wenn wir aber diese Formel „Nicht Schuld, sondern Verantwortung“ ins Spiel bringen, sagen wir mit ihr auch: „Das sollte man aber nicht tun!“

Ist es nicht erfreulich, dass jeder sich in Misskredit bringt, der sich zu dieser Formel dissident verhält?

Ich bemühe mich, den Gebrauch dieser Formel zu analysieren. Und Analyse bedeutet immer auch Distanz, und Distanz ist immer auch ein Feld für Ironie. Deshalb kommt bei mir auch Ironie ins Spiel. Dass heißt aber nicht, dass ich die Formel lächerlich machen will, obwohl ihr reflexartiges Herbeten auch komische Seiten hat. Der Gebrauch der Formel charakterisiert ein Land, das trotz aller „Aufarbeitung der Vergangenheit“ nach wie vor ein in vielerlei Hinsicht ungeklärtes Verhältnis zu seiner Geschichte hat, aber es signalisiert auch das latente Wissen um dieses Defizit.

Unter Zeitgeschichtlern ist man sich weitgehend einig, dass man die so genannte Vergangenheitsbewältigung der Bundesrepublik als eine erfolgreiche beschreiben kann. Teilen Sie das Urteil?

Kommt darauf an, wie man den Scheinwerfer aufstellt, wohin die Schatten fallen, was man sieht und was man nicht sieht. Auf der einen Seite ist die Bereitschaft, im Laufe der Jahre und Jahrzehnte, eine bestimmte Epoche der eigenen Geschichte fast ausschließlich unter dem Aspekt des Verbrecherischen zu betrachten, historisch enorm. Das hat es so eigentlich nie zuvor gegeben. Jean Améry hat in den Sechzigerjahren noch bezweifelt, dass es so gelingen würde. Das tat es aber – und zwar je mehr die Geschichtsschreibung immer größere Partien der Volksgemeinschaft als in dieses verbrecherische System involviert identifiziert hat.

Aber in materieller Hinsicht gilt das Urteil nicht …

… eben: zwar gab es die so genannten Wiedergutmachungszahlungen an Israel, aber die Zwangsarbeiterentschädigung, die Frage der geraubten Kunstgegenstände aus jüdischem Besitz – all das hat beschämend lange gedauert. Das meiste, was mit materiellen Fragen verbunden ist, ist kein Teil der Erfolgsgeschichte.

Hat die Erinnerungskultur womöglich die schäbig gelösten materiellen Fragen kompensiert?

In gewisser Hinsicht gewiss, aber ich würde diese Erinnerungskultur nicht rein funktional reduzieren wollen auf die bloße Camouflage. Obwohl viele Opfer das zurecht so haben sehen können – zu Gedenktagen eingeladen zu werden, zugleich aber vor irgendwelchen Gerichten Prozesse führen zu müssen, um für ein paar Mark zu streiten. Andererseits hat das, was wir Erinnerungskultur nennen, auch dazu beigetragen, die vielen moralischen Skandale auch jenseits des Kreises der Betroffenen wahrzunehmen. Man muss die ganze Komplexität sehen.

Woran lag es, dass nicht schon viel früher, in den Sechzigerjahren, materiell entschädigt wurde?

Man muss nicht groß rumgeheimnissen: Geld gibt man weniger leicht her als gute Worte. Andererseits hätte es natürlich die interessantesten Schwierigkeiten gegeben. Es hätte alle betroffen: Unternehmen und Banken, auch die kleinen Profiteure von den Arisierungen, die Nutznießer des NS-Versorgungsstaates, um mal auf Götz Aly anzuspielen. Wie hätte man damit umgehen sollen? Den Opferpfennig erheben, die Renten kürzen? Man muss sich mal vorstellen, was passiert wäre, wenn jemand einen solchen Vorschlag gemacht hätte.

Was denn?

Der wäre politisch marginalisiert worden. In jeder Partei, von links wie von rechts. Ein solcher Vorschlag hätte auch von der KPD nicht vorgebracht werden können, weil die KPD natürlich den ausgebeuteten Proletarier unter dem NS-Regime als Figur erhalten musste – und nicht den Profiteur von Besatzung und Holocaust.

Es gab aber Vorschläge …

... und geringere als den einer finanziellen Umlage. Und sie wurden für chancenlos gehalten. In einem Brief an Karl Jaspers redet Hannah Arendt von einer notwendigen Geste Deutschlands, die den Bruch mit der Vergangenheit deutlich machen solle, und schlägt vor, dass Deutschland allen Juden der Welt ohne Ansehen der Person volle Bürgerrechte gewähren solle – im Bewusstsein der Tatsache, dass der Wunsch danach vielleicht nicht sehr verbreitet gewesen wäre. Aber: „Ich fürchte“, schreibt sie, „das ist nicht durchsetzbar.“ Jaspers erwidert: „Ja, wir müssen auf den geeigneten Zeitpunkt warten, wo man so etwas vorschlagen kann.“ Der kam nie.

Trotzdem …

Jean Améry hat die „geistige Einstampfung“ alles dessen, was zwischen 1933 und 1945 in Deutschland veranstaltet worden sei, vorgeschlagen. Wenn man es gewollt hätte, was hätte es denn bedeutet? Auch Thomas Mann hat nach 1933 noch in Deutschland publizieren können. Wie stampft man Autobahnen geistig ein – und wenn materiell: hätte man die sie abreißen und dann durch Feldwege ersetzen oder wieder hinbauen sollen? Der Gedanke ist ja verführerisch, sich eine Geste auszumalen, die diese Vergangenheit wirklich hätte negieren können. Aber wenn man versucht, ihn zu konkretisieren, wird es sehr schwierig.

Eine materielle Entschädigung hätte ohnehin keine Sühne oder Buße bedeutet hättedenn es war ja ein Verbrechen, das nicht zu sühnen sein kann.

Das kommt noch dazu. Nun ist das wiederum auch ein schwieriges Argument – viele Leute sagen, das Verbrechen ist so groß, es ist nicht zu sühnen, da ist es dann besser, gar nichts zu tun. Anfang der Sechzigerjahre hieß es häufig, die Schuld sei so erhaben, dass sie von aller materiellen Befleckung gleichsam freigehalten werden müsse. Diese Veredelung des puren Geizes ist ziemlich widerwärtig. Aber trotzdem bleibt richtig, dass die Ermordeten ermordet bleiben, ganz gleich, was die Nachkommen der Mörder und ihrer Nachbarn tun.

Was wieder auf diese Formel verweist: Es ist unlösbar, aber wir leben damit.

Ja. Aber ein Problem entsteht erst dann, wenn man diese Formel so verwendet, als sei das Problem gelöst, nun habe man das Problem hinter sich.

Wie in dem Streit um die Ausstellung der Flick-Collection in Berlin.

Dort war der falsche Einsatz dieser Formel zu notieren – und zu sehen, was dann passiert.

Meinen Sie die Formulierung Gerhard Schröders: „Es ist nicht zu bestreiten, dass Friedrich Christian Flick versucht, diese Verantwortung anzunehmen. Er tut dies auf eine sehr persönliche und für ihn angemessene Weise“?

Ja. Das wurde durch Flick vorbereitet. Er verwendete die Aporieformel „Keine Schuld, sondern Verantwortung“, sagte aber, er sei dieser Verantwortung gerecht geworden. Aber zur Aporieformel gehört, dass wenn man sie verwendet, mit ihr gleichzeitig aber immer noch sagt, es sei stets noch etwas zu tun, der Punkt, der Verantwortung gerecht geworden zu sein, sei nicht erreicht.

Kein Stempel mit dem Aufdruck „Erledigt“ möglich?

Nein, aber Flick und Schröder haben so getan, als wäre dies zu schaffen. Und das war auch der Grund, warum Salomon Korn so aufgebracht reagiert und von „Blutgeld“ geschrieben und Flick Unaufrichtigkeit vorgeworfen hat. Da hat er ihm persönlich vielleicht Unrecht getan, ich weiß es nicht, aber er hat vor allem deutlich gemacht, dass nicht die Ausstellung in Berlin, sondern die sie begleitende Rhetorik eine ungeheure Taktlosigkeit gewesen ist.

Takt?

Ein schwieriges Wort in diesem Zusammenhang, ich weiß. Ich habe in meinem Vortrag (siehe Kasten) versucht, das zu analysieren.

Gab und gibt es eine Art Nazierbschafteine der Mentalität zum Beispiel?

Mit dem Begriff der Mentalitäten ist zu viel operiert worden. Er klingt immer so, als wäre es eine Substanz, die weitergereicht wird. Das ist Unfug. Aber ich glaube, dass es Risikopotenziale gibt, die sehr viel mit der Vergangenheit zu tun haben – das ist das, was Adorno mit sekundärem Antisemitismus meint. Einen Antisemitismus, der darauf beruht, dass die Juden uns zwingen, uns immer mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Der Applaus, den Martin Walser für seine Paulskirchenrede bekommen hat, beruht auf genau diesem Effekt. Dass es neben dem in Europa nach wie vor virulenten Antisemitismus einen spezifisch deutschen reaktiven Antisemitismus als Potenzial, als Code gibt. Das ist in dem Sinne ein Erbe, wenn Sie so wollen – besser vielleicht: die fatale Aneignung eines Erbes.

Ein Erbe, das Rechte und manche Konservative sagen lässt, sie litten unter der Last der Vergangenheitsbewältigung.

Wer bitte leidet? Sie können mir doch nicht erzählen, dass einer wie Martin Hohmann das tatsächlich als Last empfindet oder gebückt geht. Wenn irgendjemand irgendeine Last trägt, dann sind das vielleicht Schüler, die nervtötende Gemeinschaftskundelehrer haben, die nichts weiter im in ihrem Unterricht behandeln als den Nationalsozialismus – ihn enthistorisieren und zu einer defizitären Morallektion machen. Aber die leiden unter schlechten Lehrern und nicht „unter der Last der Vergangenheitsbewältigung“.

War Ihnen das Thema NS-Vergangenheit schon immer nahe?

Ich habe mich, wie viele meiner Generation, langsam mit diesem Thema vertraut gemacht, im Selbststudium sozusagen. Hochhuths „Stellvertreter“, Eugen Kogon, Jean Améry. Biografisch besonders wichtig war aber ein relativ spätes Erlebnis Mitte der 70er. Ich war in Weimar, des 18. Jahrhunderts wegen. Wegen Wieland, Goethe und Herder. Ich wusste, dass Buchenwald in der Nähe war, aber mir war nicht deutlich gewesen, wie prominent über der Stadt dieses Lager eigentlich situiert ist. Und ich überlegte, ob ich die knappe Aufenthaltszeit nicht zu einem Besuch dieser Gedenkstätte nutze, aber ich habe es nicht getan. Ich wollte mir das 18. nicht durch das 20. Jahrhundert verderben lassen. Als ich dann zurückfuhr, dachte ich, du hast so getan, als ob du dir aussuchen könntest, welcher Teil der deutschen Geschichte deiner sein soll und welcher Teil der Geschichte nicht. Ich merkte, dass das nicht geht.

Hat Sie daraufhin Ihre Familiengeschichte beschäftigt?

Mich hat meine Familiengeschichte im Positiven nie besonders interessiert. Und also auch nicht im Negativen. Man ist nie ein kompetenter Historiker der eigenen Familie, gar des eigenen Vaters. Sobald ich aber über das verfügen konnte, was sich als Familienarchiv erhalten hat, habe ich es dem Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung übergeben. Externe Historiker arbeiten damit.

Wie haben Sie es mit der Zwangsarbeiterfrage gehalten? Sie waren immerhin Erbe eines Tabakkonzerns.

Das ist eine Frage, auf die ich, der schlechten Tradition des Landes folgend, zu spät reagiert habe. Ich habe aber Historiker damit beauftragt, ehemalige Zwangsarbeiter des Unternehmens ausfindig zu machen und ihnen das zu bezahlen, was sie bekommen hätten, wenn sie sich an die Stiftung gewandt hätten.

In der Zwangsarbeiterstiftung ist das Reemtsma-Unternehmen ohnehin beteiligt.

Ja, aber ich habe seit über einem Vierteljahrhundert mit dem Unternehmen nichts mehr zu tun; außerdem meine ich, dass die unmittelbaren Nachkommen der Generation, die zwischen 1933 und 1945 die unternehmerischen Entscheidungen trafen, eine darüber hinausgehende Verantwortung haben. Welche? Damit landen wir wieder bei der Aporieformel. Ich habe auch von geerbtem Kunstbesitz die Provenienz recherchieren lassen.

Ist das schon eine vererbbare Schuld?

Nicht vererbbare Schuld, nein. Ein Bild hängt nicht schuldhaft an meiner Wand. Aber wenn ich weiß oder den Verdacht habe, dass es jemandem gestohlen, ihm abgepresst wurde, damit er aus einem Land fliehen konnte, wo man ihn sonst umgebracht hätte, und ich tue nichts, gehe ich eine Komplizenschaft ein.

Haben Sie Diebesgut in Ihrem Haus gefunden?

Die Recherchen haben nichts ergeben. Sie werden übrigens nachzulesen sein.

Zurück zur Formel „Keine Schuld, aber Verantwortung“. Glauben Sie, dass das Unabgegoltene in ihr, das Zukünftige, dass das aller Historisierung der NS- Zeit zum Trotz präsent bleiben wird?

Die Erinnerungen werden als Erinnerungen verblassen, und als Literatur weiter vorhanden sein. Das Thema wird nicht trotz Historisierung präsent bleiben, sondern im Medium der Historisierung. Aber unsere und die folgende Generation wird mit ihm in direktem politischem Kontakt bleiben.

Verblassen? Heißt das, dass das schlechte Gewissen, das in dem Wort Verantwortung steckt, verschwindet …

… doch, aber man wird nicht mehr so streiten, wenn einer einen Fehler mit dieser Formel macht. Man wird auch mal ein historisches Datum vergessen.

Dass der 8. Mai als Tag nicht mehr bewegt als der 7. Mai?

Nein, das glaube ich nicht. Der 8. Mai ist einfach sehr fest im Gedächtnis.

Der Rest – ein Fall von Gedächtnisschwund?

Ja und nein. Ich war mal in Nördlingen und habe an einem schönen Aussichtspunkt über die Stadt geguckt. Da sagte der, mit dem ich da hingegangen war und der in dem Städtchen wohnte: Im Grunde bin ich nicht gerne hier, hier stand der Galgen.

Ein Nazigalgen?

Nein, einer aus dem Dreißigjährigen Krieg. Die Orte bleiben diese Orte. Auch ein Ort wie Hamburg-Neuengamme, wo im KZ 50.000 Leute umgebracht wurden. Der Name wird bleiben, und das mit ihm verbundene Ungeheuerliche bleibt eine anthropologische Erfahrung.