Transplantationsmedizin – quo vadis?

Deutschland spielt inzwischen im internationalen Orchester der Organtransplantation mit. Bis jetzt war es von Organhandel weitgehend verschont

Die Organmangeldebatte, die in den USA und Großbritannien bereits in den 80er-Jahren begann, ist nun auch hierzulande angekommen. Der Strom der Information über Spendendefizite, sei es von der Deutschen Stiftung für Organtransplantation (DSO), von der Transplantationsmedizin oder aus der Politik, reißt nicht ab. Begonnen hat die Suche, wie das Problem zu lösen ist: etwa bei den niedrigen Hirntodmeldungen der Krankenhäuser oder der geringen Spendenneigung. Der Nationale Ethikrat dachte sogar in seinem Infobrief über die Widerspruchslösung nach – so wäre, wie in Österreich, jeder automatisch ein Organspender, der keinen Widerspruch bei sich trägt.

Doch es gibt auch kritische Stimmen zur „Organknappheit“. Nancy Scheper-Hughes, Professorin für Anthropologie, gründete 1999 an der Universität Berkeley, Kalifornien, die NGO „Organs Watch“. Sie hält diese Knappheit für einen künstlich geschaffenen Bedarf der Transplanteure. Die Enquete-Kommission „Recht und Ethik in der modernen Medizin“ hat sich mit Mehrheit in ihrem Zwischenbericht zur Lebendspende vom 17. März gegen die Ausweitung des Spenderkreises ausgesprochen, da sie in den Poolmodellen die Gefahr von Organhandel oder verdeckter Vermittlung sieht.

Wolfgang Wodarg (SPD), Mitglied in der Enquete-Kommission, sieht als Ursache für chronisches Nierenversagen auch schlecht eingestellten Zucker und Schmerzmittelabusus. Ein Drittel der Dialysepflichtigen könnten durch mehr ärztliche Sorgfalt vermieden werden. Zudem wäre neben der billigeren „Bauchfelldialyse“ auch die Prävention ein Weg. Die gehört in Schulen wie die Aids-Aufklärung. „Wenn man weiß, wodurch Nieren kaputtgehen“, dann haben illegale Nierenverkäufe und kriminelle Vermittler weniger Chancen.

Laut einer Studie der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit (GTZ), erstellt im Auftrag des Entwicklungsministeriums, ist Organhandel in 12 Ländern ein signifikantes Problem. Betroffen sind Lateinamerika, Asien, Afrika und Osteuropa auf der Verkaufsseite. Auf der Käuferseite stehen USA, Naher Osten und Europa. Der Europarat arbeitet seit 1987 zu diesem Thema, und Ruth-Gaby Vermot, Mitglied im Schweizer Parlament und Europarätin, trug Verantwortung für den Bericht „Trafficking in Organs in Europe“ (Juni 2003). Sie vertritt wie die GTZ die Auffassung, dass Organhandel im Schlepptau des Frauenhandels passiert, der sich in Zwangsprostitution und Schleuserkriminalität zeige. Für Moldawien spricht sie von 50 bis 60 Organfällen.

Dort wurden gesunde, arme Männer für Arbeitsmöglichkeiten in die Türkei gelockt und ihnen dort der Nierenverkauf „nahe gelegt“. S. E. Igor Corman, Botschafter der Republik Moldawien in Berlin, bestätigt den Zusammenhang zum Menschenhandel. 2004 wurden dort 29 solcher Organisationen aufgelöst.

Organs Watch spricht von Organkauf an der Universität Heidelberg. Im Auftrag der Automobilindustrie sollen dort in den 90er-Jahren Babyleichen mit Zustimmung der Eltern für ein paar hundert Mark als Test-Dummies für Crash-Tests „gespendet“ worden sein (Kosten der Industrie-Dummies: 2.000 Mark). Das Bundeskriminalamt spricht international von 80 Sachverhalten mit angeblichen Tatorten im Ausland, verweist aber auch auf Urteile des Amtsgerichts Homberg (Efze) und des Landgerichts München I. Im ersten Fall war der Tatbestand des Handeltreibens erfüllt – ein 19-jähriger Mann versuchte 2001 über Ebay seine eigene Niere zu versteigern.

In München war der Sachverhalt verzwickter, allerdings wurde der staatenlose Täter wegen versuchten gewerbsmäßigen Handels mit Organen in drei Fällen verurteilt. Von einem Münchner Copyshop faxte er an 11 US-Kliniken das Anschreiben „wir verkaufen gesunde Menschen für 10.000 Dollar“, mit Angebot der Lieferung von 100 Personen auf Bestellung – bei Postmortalspenden! Die Adressen hatte er sich über Botschaften und Konsulate beschafft. Laut Staatsanwalt Joachim Eckert hatte er 60 weitere Kliniken per Brief aus Tschechien angeschrieben. Durch seine Kontakte zu Krankenhäusern und Ministerien in Osteuropa (Rumänien, Bulgarien, Albanien) sollten die Organe per Kurier in die Schweiz geflogen und von einem britischen Arzt untersucht werden, der durch seinen Pass leichter in die USA und Kanada einreisen könnte. Vor seinem Asylantrag hier hatte er in Bulgarien und Russland schon illegale Geschäfte gemacht und deswegen Haftstrafen verbüßt.

Beim LKA Berlin gab es laut Mirco Collatz in den vergangenen Jahren Einzelfälle mit Anfangsverdacht auf Verstoß gegen das Transplantationsgesetz, der sich aber während der Ermittlungen nicht erhärtete.

ULRIKE KOPETZKY