Reiche Länder ohne Rezept gegen Armut

Tagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds: Die Minister der führenden Industrienationen beteuern, dass sie einen Schuldenerlass für die ärmsten Staaten befürworten – auf Maßnahmen einigen sie sich aber nicht

WASHINGTON taz ■ Die führenden Industrieländer konnten sich auf der Frühjahrstagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) nicht über einen Schuldenerlass für die ärmsten Staaten der Welt einigen. Konkrete Ergebnisse werden frühestens im Juli beim Gipfeltreffen der G-8-Staaten erwartet. Den erneuten Aufschub kritisierten Nichtregierungsorganisationen (NGOs) scharf.

Schon im Februar hatten die G-7-Finanzminister den Willen bekräftigt, den ärmsten Staaten bis zu hundert Prozent ihrer multilateralen Schulden bei der Weltbank und regionalen Entwicklungsbanken zu erlassen. Weiterhin umstritten sind aber die Finanzierung und Bedingungen der Entschuldung sowie die Zahl der Länder, die davon profitieren sollen. Und Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) stellte klar, dass aufgrund der misslichen Haushaltlage in Berlin nicht mit zusätzlichen Geldern zu rechnen sei (siehe Text oben). Deshalb seien „innovative Finanzierungsinstrumente“ wichtig.

Die Briten hatten beispielsweise den Verkauf von Goldvorräten des IWF angeregt. Dieser Vorschlag, den auch NGOs favorisieren, wurde am Wochenende aber nicht weiter aufgegriffen. Auch die Tobinsteuer auf weltweite Devisen- und Finanzgeschäfte, Anfang des Jahres von Frankreichs Präsident Jacques Chirac erwogen, ist laut Bundesregierung vom Tisch. Ebenso ist eine globale Umweltsteuer angesichts hoher Energiepreise derzeit kaum durchsetzbar. Eine Steuer auf Flugbenzin oder Flugtickets ist für Eichel die aussichtsreichste Variante.

Nach einer anderen Idee der Briten sollen Industrienationen Garantien für die Zahlung von Entwicklungshilfen in den kommenden Jahren übernehmen. Diese würden als Anleihen am freien Kapitalmarkt erworben. Die zugesagten Mittel stünden sofort zur Verfügung. Deutschland unterstützt den Vorschlag und will, so Bundesentwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), ein Pilotprojekt für eine Impfkampagne fördern.

Eile ist geboten, liest man den kurz vor der Tagung veröffentlichten „Global Monitoring Report“ der Weltbank, der den Istzustand der von der UNO im Jahre 2000 beschlossenen Ziele zur weltweiten Armutsbekämpfung analysiert. Seine Warnung: Ohne zusätzliche Anstrengungen der reichen Länder sei die Armutsreduzierung „ernsthaft in Gefahr“.

Etwas Bewegung zeichnete sich allerdings in den letzten Wochen ab, als es hieß, Deutschland wolle seine Entwicklungshilfe stufenweise bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukt aufstocken (taz vom 23. 3.). „Von Amerika, dem im Vergleich mit den anderen G-7-Ländern geizigsten Land, war bislang kein einziges Wort zu hören, ob es die 0,7 Prozent des BIP irgendwann in diesem Jahrhundert erreichen will. Wir hoffen aufrichtig, dass Präsident Bush sich bis Juli irgendetwas einfallen lässt“, kommentierte daraufhin etwa die New York Times.

Bushs neuer Mann für die Weltbankspitze, Paul Wolfowitz, der bei seiner Nominierung noch weltweit Entrüstung auslöste, schien die Gemüter nun nicht mehr so recht zu erregen – selbst draußen vor den Polizeiabsperrungen nicht. Dort versammelten sich rund 300 Demonstranten, weit weniger, als die Veranstalter sich erhofften. Neben dem Drängen auf einen sofortigen Schuldenerlass war Wolfowitz die Zielscheibe des Protests, doch der war so friedlich, dass sich Weltbankmitarbeiter ab und an dazu gesellten. Eine Demonstrantin räumte ein, dass sich die beiden sonst feindseligen Institutionen bei der Entschuldung aufeinander zubewegt hätten. MICHAEL STRECK