Die Neinsager

Sich nicht unter Wert verkaufen, rät die Absageagentur. Sie hilft bei Ablehnung unattraktiver Jobs an Arbeitgeber

Das Büro wirkt äußerst einladend. Auf dem Informationstisch mit den Zeitungen stehen frische Tulpen. Hinter seinem Computer grüßt ein freundlicher Berater. So etwas muss auch der Bundesregierung vorgeschwebt haben, als die Reform der Arbeitsämter beschlossen wurde. Doch hier bietet die erste deutsche Absageagentur ihren Service an: „qualitativ hochwertige Absagen auf aktuelle Stellenanzeigen“.

Die Idee stammt von Thomas Klauck, der es leid war, Absageschreiben mit den üblichen Standardfloskeln aus dem Briefkasten zu holen. „Die immer gleichen Formulierungen und das Mitleid, das dort geheuchelt wird, setzen wir nun in unseren Absagen um“, erklärt der 36-Jährige. So heißt es in einem Schreiben an die Arbeitsagentur: „Leider kann ich ihr Angebot nicht berücksichtigen und muss Ihnen mit Bedauern mitteilen, dass ihre Ausschreibung nicht in die Endauswahl gekommen ist. Ich hoffe, dass Sie bei anderen Arbeitnehmern auf mehr Interesse gestoßen sind.“

Klauck arbeitet zurzeit in der Redaktion eines Kunstprojekts, davor war er arbeitslos oder hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. „Man entwickelt irgendwann Schuldgefühle und schiebt es auf die eigene Biografie“, sagt der studierte Philosoph und Kulturwissenschaftler. „Dabei ist das System oder die Gesellschaft Schuld, denn es gibt einfach nicht genug Arbeitsplätze.“ Die Agentur will ein Ventil zum Frustablassen bieten, vor allem aber das Bewusstsein für den Wert der eigenen Arbeitskraft stärken. Die Persiflage auf die Arbeitsagentur soll aber auch die begrenzte Vorstellung von Arbeit als Erwerbsarbeit infrage stellen.

Das Konzept entstand parallel zur Debatte um Hartz IV. „Heute muss man alles annehmen“, kritisiert Katrin Lehnert, „doch es geht uns um das Recht, auch Nein zu sagen.“ Die Ethnologie- und Spanischstudentin hat das Projekt mit Thomas Klauck umgesetzt, gefördert durch die Stiftung Mitarbeit. Das Netzwerk Selbsthilfe gab 620 Euro für Werbemittel und Portokosten.

Der Andrang im Büro hält sich noch in Grenzen, doch über das Internet gehen jeden Tag neue Absagen ein. Dort kann man sich Musterformulare herunterladen und Jobbörsen nach ungeeigneten Angeboten durchsuchen. „Endlich hat das Durchsehen der Stellenanzeigen wieder einen Sinn!“, freut sich ein Nutzer im Gästebuch. OLIVER VOSS

Absageagentur, Falckensteinstr. 31, Öffnungszeiten: Di.–Do. 16–20 Uhr, Fr. 10–14 Uhr. Mittwochs Filmabende zum Thema Arbeit. www.absageagentur.de