Münte, stopp Springer!

Der Axel Springer Verlag will sich die Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 einverleiben. Europas größter Medienkonzern hätte damit eine entfesselte Medienmacht. Eigentlich ein Fall für den Kapitalismuskritiker Franz Müntefering (SPD)

BERLIN taz ■ Europas größter Pressekonzern, der Axel Springer Verlag, will sich die Kontrolle über die Fernsehgruppe ProSiebenSat.1 sichern. Wie Süddeutsche Zeitung und Handelsblatt am Dienstag übereinstimmend berichteten, stehe die Übernahme unmittelbar bevor. Springer wolle allein oder mit einem Partner über die Schwelle von 50 Prozent der Anteile an dem zweitgrößten privaten TV-Anbieter in Deutschland kommen.

Damit würde sich eine in der Bundesrepublik bislang nicht gekannte Medienmacht formieren. Springer würde nicht mehr nur große Teile des Zeitungsmarktes kontrollieren (Bild, Welt u. a.), sondern gemeinsam mit Bertelsmann (RTL-Group) auch das private Fernsehgeschäft beherrschen. Zwar muss die Übernahme der Aktienmehrheit bei ProSiebenSat.1 von den Kartellbehörden genehmigt werden. Aber anders als in Großbritannien oder den USA ist in Deutschland der gleichzeitige Besitz von Zeitungen und Free-TV-Sendern generell erlaubt.

Gegen diese neue Medienmacht wird sich also kein großer Widerstand regen. Und anders als Ende der 60er-Jahre, als die Studentenbewegung auf die publizistische Hetze der Bild-Zeitung mit der Aktion „Enteignet Springer!“ reagierte, ist auch eine politische Protestbewegung nicht zu erwarten. So wäre der Springer-Coup der ideale Anlass für SPD-Chef Franz Müntefering, seinen großen Worten vom Kampf gegen die ungebremste „Macht des Kapitals“ konkrete Taten folgen zu lassen. Müntefering beharrt ja darauf, mit seiner Kapitalismuskritik keinen Klassenkampf zu betreiben, sondern dafür sorgen zu wollen, dass unsere Demokratie handlungsfähig bleibt. Diese Handlungsfähigkeit könnte mit der Übernahme des zweitgrößten deutschen Fernsehkonzerns durch den größten deutschen Zeitungsverlag jedoch mehr eingeschränkt werden als durch das Lohndumping auf deutschen Baustellen. Also Münte, stopp Springer!

Einen bescheidenen Anfang hat Müntefering ja schon gemacht. Im Sommer 2003 stellte er nach der Bonusmeilen-Affäre der Bild-Zeitung mehrere Strafanzeigen – allerdings erfolglos.

Jens König

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